Bürgerversicherung (Sozialpolitik)

Hansjürgen, Samstag, 26.07.2003, 00:03 (vor 7582 Tagen)

Was haltet Ihr von der vorgeschlagenen "Bürgerversicherung"?

Gruß,
Hansjürgen

Re: Bürgerversicherung

Daniel @, Samstag, 26.07.2003, 08:09 (vor 7582 Tagen) @ Hansjürgen

Grundlegend finde ich die Idee gar nicht so übel, nämlich
das auch Beamte, Selbständige und "Sonstige" in die Kassen einzahlen müssen. So ein Modell gibt es ja schon seit vielen Jahren in der Schweiz.

Ich habe mir die Angelegenheit einmal genauer betrachtet
und bin tatsächlich zu dem Entschluß gekommen, dass
die ohnehin schon leeren öffentlichen Kassen durch die Einzahlung in die gesetzliche Krankenkassen noch leerer
werden, da nämlich die jetzige Beihilferegelung für den öffentlichen Dienst billiger ist. Die "Mehrkosten" müssten ja wieder gegenfinanziert werden: So könnte es evtl. wieder zu einer Erhöhung von z. B. Benzinkosten führen, damit die Angelegenheit finanziert wird. Dies wiederum legt sich
wieder auf die Verbraucher nieder. Die Kaufkraft sinkt und
mit Wirtschaftswachstum ist das dann auch wieder gleich Null. Also wird man die Beamten auf keinen Fall in die Kassen einzahlen lassen. Für mich macht aber eine Bürger-
versicherung nur Sinn, wenn alle Bürger einzahlen
würden und das funktioniert leider nicht.


Re: Bürgerversicherung

rammel, Samstag, 26.07.2003, 11:16 (vor 7581 Tagen) @ Hansjürgen

Ich wäre dann doch eher für ein system wie in der Schweiz mit der Kopfpauschale...
Ist in meinen Augen sinnvoller...

Die Bürgerversocherung wäre auch nicht das schlechteste, jedoch mit der Beihilfe ist das auch so eine Sache, wie Daniel schon meinte

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Samstag, 26.07.2003, 13:07 (vor 7581 Tagen) @ rammel

Eine Kopfpauschale ist unsolidarisch gegenüber wirtschaftlich Benachteiligten (Arbeitslose, Menschen mit geringem Einkommen, Familien mit Kindern usw.) - denn jede(r) Person muss einkommensunabhängig einzahlen, weshalb dann für den angesprochenen Personenkreis individuell bedarfsgerechte Gesundheitsdienstleistungen unbezahlbar werden.

Einer Bürgerversicherung mit einkommensabhängigen Beiträgen (entweder wird ein einheitlicher Prozentsatz vom individuellen Einkommen festgelegt - wie dies derzeit der Fall ist, oder es wird eine andere sozial verantwortbare Neuregelung gefunden) kann ich hingegen zustimmen. Ebenso einer Einbeziehung von Miet-, Zins- und Kapitaleinkünften etc. - was im derzeitigen GKV-System ja noch nicht der Fall ist.

Re: Bürgerversicherung

Heri Zey @, Sonntag, 10.08.2003, 08:17 (vor 7567 Tagen) @ Elgin Fischbach

"Eine Kopfpauschale ist unsolidarisch gegenüber wirtschaftlich Benachteiligten (Arbeitslose, Menschen mit geringem Einkommen, Familien mit Kindern usw.) - denn jede(r) Person muss einkommensunabhängig einzahlen"

Was ist an einer KP "unsoldidarisch"? Mit solchen "sozialstaatlich verträglichen" Totschlagargumenten ist doch nichts gewonnen. Denn ganz im Gegentei: eine KP IST solidarisch! Warum sollte jemand, der mehr verdient, mehr für Leistungen zahlen, die ebenso viel kosten wie Leistungen für jemanden, der weniger verdient? Wenn ich tanke, zahle mit mehr Verdienst auch nicht 2 EUR den Liter und der mit weniger Verdienst 1 EUR, oder?! Alles gleiches Recht für alle! Und bitte keine Sozialterror-Definitionen von Solidarität.
Jetzt, lieber Elgin, dürfen Sie mich beschimpfen.

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Sonntag, 10.08.2003, 14:54 (vor 7566 Tagen) @ Heri Zey

Gesundheit ist keine Ware - wie die Gesundheitskampagnen von DGB und ver.di verdeutlichen.

Gesundheit ist vielmehr ein hohes Gut, welches für den eigenständigen Erwerb einer ausreichenden Existenzsicherung höchste Bedeutung hat. Weshalb werden denn Ältere, Schwerbehinderte und Personen mit sonstigen relevanten gesundheitlichen Einschränkungen dauerhaft vom 1. Arbeitsmarkt ausgegrenzt? Soll dieser Personenkreis für sein nicht (ausschließlich) selbst zu verantwortendes Schicksal nun künftig auch noch doppelt bestraft werden - in Form finanziell bedingter Ausgrenzungen von einer individuell bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung?

Des Weiteren beruht unser heutiges gesetzliches Sozialversicherungssystem auf dem Generationenvertrag - d. h. ausreichendem Nachwuchs. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband hat im Rahmen seiner Presseerklärung v. 31. Juli 2003 wiederholt festgestellt, dass Kinder in Deutschland ein sehr hohes Armutsrisiko haben. Die Entscheidung der Ehepartner zwischen Familie und beruflicher Karriere vollzieht sich keineswegs nur aus dem Aspekt der Selbstverwirklichung heraus! Deshalb: Wer in Form von Kindererziehung/-betreuung seinen mittel- und langfristig wirksamen Beitrag für unsere Gesellschaft leistet, muss - mitsamt Nachwuchs - von der Solidargemeinschaft belohnt werden (wie es heute noch der Fall ist)!!!

Außerdem gibt es schon heute sehr viele KleinrentnerInnen, die wegen früherer Kindererziehung oder langjähriger Ausgrenzung vom 1. Arbeitsmarkt nur minimale Renteneinkünfte haben, obwohl sie in der Vergangenheit ihren Beitrag für die Gesellschaft geleistet haben oder ihren früheren Ausschluss vom 1. Arbeitsmarkt nicht (ausschließlich) selbst zu verantworten haben. Diesen Personenkreis durch künftige finanzielle Ausgrenzung von einer individuell bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung auszuschließen, betrachte ich als nicht angemessen!!!

Abschließend "nebenbei" bemerkt: Bei mir handelt es sich nicht um eine männliche, sondern um eine weibliche Person!

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

Heri Zey @, Sonntag, 10.08.2003, 16:16 (vor 7566 Tagen) @ Elgin Fischbach

DGB, Verdi und der Parität. WFV sind auch nur Lobbies (wie AGV, KÄV, KZV, AWO etc.)

Ein Beispiel zu den Kleinrentnern (beiden Geschlechts). Meine Mutter hat jahrelang wegen Kindererziehung (ja, ich bin schuld!) am Arbeitsmarkt ausgesetzt und geht heute noch, mit fast 70, arbeiten. Bevor Sie fragen, warum ich sie nicht unterstütze: Sie arbeitet gerne noch, damit sie was um die Hand hat. Aber nichtsdestotrotz bin ich u. a. auch für die Anerkennung der Kindererziehungszeit. Nur wie das alles bezahlen?
Glauben Sie mir bitte eines: Auch wenn ich bisweilen Schaum vor dem Mund habe, ich wünschte ich wüsste DIE Lösung und könnte an Patentrezepte glauben!

In diesem Sinne - that"s all
H.

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Sonntag, 10.08.2003, 18:54 (vor 7566 Tagen) @ Heri Zey

Apropos "Lobbygruppen": Im Rahmen der Gesundheitskampagnen von DGB und ver.di geht es nicht primär um Lobbyarbeit, sondern um eine Bekanntmachung drohender allgemeiner Folgen - vorausgesetzt, dass die Gesundheitsreform in der bisher angekündigten Form in Kraft tritt. Denn wer sich eine Kopfpauschale finanziell nicht leisten kann und notwendige Arztbesuche, Krankenhausbehandlungen etc. wegen zu hoher Eigenanteile vermeidet, kann wegen Verschlimmerung einer oder mehrerer Krankheiten irgendwann eingeschränkt erwerbsfähig oder gar frühzeitig dauerhaft erwerbsunfähig werden - mit allen Folgen für unsere gesetzlichen Sozialversicherungssysteme (Arbeitslosenversicherung wegen dauerhafter Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt - wozu ich in meinem vorhergehenden Forumsbeitrag bereits Stellung genommen habe, Rentenversicherung wegen frühzeitiger Erwerbsunfähigkeit, Pflegeversicherung wegen später notwendiger Pflegedienstleistungen etc.).

Toll, wenn Ihre Mutter in ihrem Alter noch so fit ist (auf andere RentnerInnen trifft dies aus gesundheitlichen Gründen leider nicht zu)!

Bei dem Job Ihrer Mutter handelt es sich höchstwahrscheinlich um einen sog. sozialversicherungsfreien "Mini-Job" (als Festangestellte würde sie schon allein aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen nicht mehr genommen - denn wer heute mindestens 65 Jahre alt ist, wird ja schon durch gesetzliche Vorgaben an der Aufnahme einer existenzsichernden sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit gehindert).

Apropos Anrechnung von Kindererziehungszeiten: Wie wäre es, Singles und Ehepaare ohne Kinder während ihrer Erwerbsjahre mit erhöhten Beiträgen zu belasten (weil sie dem für unser gesetzliches Sozialversicherungssystem so wichtigen Generationenvertrag nicht nachkommen)? Im Gegenzug können dann RentnerInnen, die früher wegen Kindererziehung nicht erwerbstätig sein konnten, einen - von der jeweiligen Kinderzahl abhängigen - Zuschlag erhalten (je mehr Kinder jemand erzogen hat, desto höher kann dieser Zuschlag ausfallen - denn die früher großgezogenen Kinder zahlen ja dann anschließend auch wiederum Rentenbeiträge ins System ein).

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

Maxim, Sonntag, 27.07.2003, 21:55 (vor 7580 Tagen) @ Hansjürgen

Wie bitte,

ich soll jetzt auch noch Sozialversicherungsbeiträge aus meinen Kaital- und Zinseinkünften bezahlen???

NIEMALS!!!

Ich seh doch nicht ein, dass auch noch meine Altersvorsorge angetastet wird.

Es kann doch nicht sein, dass jedes Kapital für diese Gesundheitsreform einbezogen wird.

Dann begehe ich lieber KAPITALFLUCHT!

Das werden dann auch viele machen, denn weshalb sollte ich mein Vermögen, dass ich mühsam in den Jaren zuvor gespart habe auch noch für die Sozialvers opfern???

Es gibt eben Leute, die können mit Geld umgehen und manche eben nicht! Pech gehabt! (ausgenommen: bedüftige Menschen, die eh zu wenig verdienen und eine Familie ernähren müssen).

Mfg

Maxim


Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Sonntag, 27.07.2003, 23:04 (vor 7580 Tagen) @ Maxim

Hallo Maxim,

einer Abnahme von "Normalarbeitsverhältnissen" und einer Flucht von "neuen Selbstständigen" und Besserverdienenden (letztere oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze) in die PKV stehen in immer höherem Ausmaß anderweitige Einkommensquellen (MIet- und Pachteinnahmen, Zins- und Kapitaleinkünfte etc.) gegenüber.

Das Hauptproblem unseres heutigen gesetzlichen Sozialversicherungssystems in diesem Zusammenhang ist dessen Bezug zur Lohnquote: Je weniger Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und je weniger freiwillig Versicherte (Ausstieg von Besserverdienenden oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze, "neue Selbstständigkeit" etc.) es gibt, desto geringer die Beitragseinnahmen. Während die Gesundheitsausgaben seit mehreren Jahrzehnten fast unverändert gleich geblieben sind, sind die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen rapide zurückgegangen.

Um dies zu ändern, müssen die veränderte Erwerbstätigenstruktur und die veränderten Einkommensverhältnisse innerhalb der Bevölkerung in das gesetzliche Sozialversicherungssystem einfließen. Dies bedeutet nun einmal, dass künftig verstärkt auch Personen zur Beitragszahlung herangezogen werden, die bisher "außen vor" blieben.

Vorteil einer solchen Bürgerversicherung: Die Beitragssätze können bei weiterhin gleich bleibenden Gesundheitskosten dank der verbesserten Einnahmesituation sinken - was allen Beitragszahlern zugute kommt!

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

rammel @, Montag, 28.07.2003, 08:14 (vor 7580 Tagen) @ Elgin Fischbach

Hallo Elgin,

das bei einer Bürgerversicherung die Gesundhietskosten gleich bleiben ist nicht möglich, es kommen zwar mehr Einnahmen rein, aber es gibt auch mehr Ausgaben, da das neue Kliente, das mit in diese Versicherung zahlt auch Leistungen braucht (Arztbesuch etc.) die jetzt auch noch nicht in den Ausgaben mit enthalten sind!!!

Das nächste ist, dass ich auch nicht aus meinen Zinsen Beiträge zahlen will... denn die Zinsen entsehen aus dem Geld, dass ich mal verdient habe, mir mühsam zur Seite gelegt habe und schon mal Abgaben geleistet habe und mir zur Seite lege um emin Alter zu finanzieren oder um mir mal eine Häuschen oder eine eigene Wohnung zu leisten!
Finde ich auch den falschen Weg mehr Geld in das Gesundhietssystem zu stecken... Man sollte hier lieber bei den Ausgaben arbeiten, dass dort mehr eingespart wird!

Bei einer Kopfpauschale gibt es auserdem auch noch besondere Regelungen für sozial Schwache! Andrererseits gibt es auch einige, die nur auf die Tasche anderer leben, die sich nicht mal bemühen dort raus zu kommen und das ist dann nicht richtig, dass wir die mittragen sollen!

Re: Bürgerversicherung--Beihilfe

Jammi, Montag, 28.07.2003, 09:10 (vor 7580 Tagen) @ rammel

Durch die Beihilfe spart der Staat bestimmt Geld
Hat jemand aber mal daran gedacht, woraus die Beihilfe gezahlt wird?
Von unseren Steuergeldern.
Die die Beihilfe erhalten, bekommen auch grundsätzlich mehr medizinische Leistungen.

Ich finde es sollte jeder ( auch der Staat ) mitziehen und die Bürgerversicherung stark machen. Sonst sieht blöd aus mit der Versorgung im Krankheitsfall für die Zukunft und die gesetzlichen KK sind irgendwann pleite

Da geht es nicht mehr darum ob jemand monatlich auf einmal 10 euro mehr Beitrag zahlen muß, sondern er muß hoffen in die private reinzukommen ohne hunderte von Euro zahlen zu müssen.

Übrigens die privaten KK wollen in der nächsten Zeit Ihre Beiträge um ca 8 % erhöhen d.h. im Schnitt um 25 Euro monatlich

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Montag, 28.07.2003, 11:46 (vor 7579 Tagen) @ rammel

Hallo,

wie sehen die Ausnahmeregelungen für sozial Schwache im Rahmen eines Kopfpauschalen-Systems aus?

Angesichts der seit langem anhaltenden Wirtschaftskrise gehe ich nicht davon aus, dass die große Mehrheit dieses Personenkreises es sich bewusst zu Lasten der Allgemeinheit bequem macht - zumal bestimmte Personengruppen auch bei besserer Konjunkturlage auf dem 1. Arbeitsmarkt praktisch chancenlos sind: Ältere (in der IT-Branche gilt man in vielen Betrieben schon mit über 35 Jahren als zu alt!), Schwerbehinderte - teilweise trotz fachlicher Bestqualifikation, Frauen mit Kindern - auch wenn sie Betreuungsmöglichkeiten gefunden haben und ein hohes Qualifikationsniveau aufweisen (wegen der aus Arbeigebersicht mangelnden Flexibilität bei der Arbeitszeit), Absolventen kultureller und pädagogisch-sozialer Berufsbilder (dieser "Non-Profit-Sektor" steht derzeit sowohl beim Staat als auch bei "freien" gemeinnützigen Trägern enorm auf der Streichliste - trotz seiner gesellschaftlichen Notwendigkeit).

Gerade diese Personengruppen sind unter den Arbeitslosen überproportional vertreten. Diesen Menschen vorzuwerfen, es sich in der "sozialen Hängematte" bequem zu machen, betrachte ich als vollkommen ungerechtfertigt. Vielmehr muss der Gesetzgeber dahingehend tätig werden, dass diese Personengruppen auf dem Arbeitsmarkt nicht dauerhaft ausgegrenzt bleiben:

Deutliche Erhöhung der Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz - sodass sich ein "Freikauf" von der Beschäftigungspflicht nicht mehr lohnt, Auflagen für einen besseren betrieblichen Gesundheitsschutz (wodurch ältere ArbeitnehmerInnen verstärkt im Betrieb gehalten werden können - denn viele von ihnen werden deshalb arbeitslos, weil sie die teils meschenverachtenden, immer weiter steigenden Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können), Ältere bei der betrieblichen Weiterbildung gleichrangig berücksichtigen (im Gegensatz zu heute), Ausbau und zeitliche Flexibilisierung der Kinderbetreuung, Stärkung des gesellschaftlich notwendigen kulturellen und pädagogisch-sozialen "Non-Profit-Sektors".

Außerdem gibt es auch etliche "Kleinrentner" (vor allem Frauen, die in früheren Jahren Kinder erzogen haben - was in der gesetzlichen Rentenversicherung trotz der immensen Bedeutung des Generationenvertrages für unser heutiges Sozialversicherungssystem bis heute keinen hohen Stellenwert hat) und Krankengeldbezieher (oftmals Menschen, die angesichts der unbegrenzt steigenden Belastungsanforderungen am Arbeitsplatz "zusammengeklappt" sind - denn eine immer größer werdende Anzahl von Menschen kann bei den zunehmend menschenverachtenden Verhältnissen in der Wirtschaft nicht mehr mithalten, siehe auch weiter oben meine Äußerungen zur Arbeitslosigkeit).

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

rammel, Montag, 28.07.2003, 14:32 (vor 7579 Tagen) @ Elgin Fischbach

Hallo Elgin,

hab ich denn von allen gesprochen?
Es geht mir auch um diejenigen, "die nichts tun um dort wieder raus zu kommen!" und davon gibt es einen ganzen haufen... es gibt immer welche, die daruf angewiesen sind und das kann jedem ganz schnell passieren, aber diejenigen, die sich dann nicht bemühen wieder raus zu kommen, von denen hab ich gesprochen!

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Montag, 28.07.2003, 15:18 (vor 7579 Tagen) @ rammel

Ich gehe - wie schon mitgeteilt - davon aus, dass sich die bewussten Ausnutzer unseres sozialen Netzes angesichts der seit langem andauernden Konjunkturkrise auf eine Minderheit beschränken.

Neben den dauerhaft ausgegrenzten Problemgruppen des 1. Arbeitsmarktes, Kleinrentnern und Langzeitkranken - von denen in meinem vorhergehenden Forumsbeitrag schon ausführlich die Rede war - gibt es, bedingt durch zunehmende Niedriglohnsektoren (teils durch zunehmende Tarifflucht der Arbeitgeber, teils staatlich gefördert) auch immer mehr Vollzeitbeschäftigte mit einem Einkommen am Rande des Existenzminimums, die dauerhaft auf sozialen Ausgleich angewiesen sind. In diesem Zusammenhang fordern mittlerweile verschiedene Gewerkschaften (ver.di, Gewerkschaft "Nahrung-Genuss-Gaststätten") die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in Höhe von 1.500,00 EURO brutto für Vollzeitkräfte (in EU-Nachbarländern - Dänemark, Frankreich, Niederlande - gibt es bereits so etwas). Außerdem hat ver.di bereits in manchen Branchen tarifliche Mindestlöhne zu Stande gebracht (zuletzt bei den privaten Wach- und Sicherheitsdiensten - die unteren Einkommensgruppen bekommen durch diese Regelung nun ca. 14 % mehr Entgelt als vorher). Die höheren Bruttolöhne bewirken für die vom "Faktor Arbeit" einseitig abhängigen Sozialversicherungssysteme einen Anstieg der für sie bedeutsamen Lohnquote (und damit auch der Beitragseinnahmen).

Unabhängig davon müsste neben dem Sozialmissbrauch aus Gerechtigkeitsgründen auch die Steuerhinterziehung (welche primär besser gestellte soziale Schichten betrifft) entschlossen bekämpft werden. Dies würde dem Staat erhebliche Einnahmezuwächse verschaffen, die in die arbeitsplatzschaffende Verbesserung der öffentlichen Daseinsvorsorge (Kultur, pädagogisch-soziales, Ökologie, Bildung etc.) investiert werden könnten.

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

rammel, Montag, 28.07.2003, 15:53 (vor 7579 Tagen) @ Elgin Fischbach

Ich verstehe deine Ausführungen, sind auch logisch und ist auch ein Problem in unserem Land, dass will ich dir auch nicht abstreiten...
Ich hab jetzt aber auch älteren Beitrag von dir nochmals angeschaut und ich verstehe nicht, wie du hier auf der einen Seite als Verteidigerin der sozial Schwachen hin stellst und auf der anderen Seite schreibst du in einem älteren Beitrag:
"Ich als heutiges BKK-Mitglied sehe überhaupt nicht ein, über den Umweg des RSA einen Teil meiner gezahlten Beiträge solchen Kassen zur Verfügung zu stellen, denen ich früher sehr bewusst "den Rücken gekehrt" habe!"
Der RSA ist dazu da, dass auch sozial Schwachen die Möglichkeit auf eine sehr gute und bezahlbare Behandlung haben! Versteh ich ehrlich gesagt nicht ganz, dass du dann jetzt so argumentierst, aber vielleicht hab ja auch ich dabei etwas falsch verstanden!

Ich bin auch deiner Meinung, dass sozial Schwache auch immer aufgefangen werden sollen, denn dazu ist unser System da und es ist auch wichtig!!! Doch die Prüfung des ganzen sollte besser laufen (auch bei den Steuersündern)!

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Montag, 28.07.2003, 16:58 (vor 7579 Tagen) @ rammel

Hallo Rammel?,

"Ich als heutiges BKK-Mitglied sehe überhaupt nicht ein, über den Umweg des RSA einen Teil meiner gezahlten Beiträge solchen Kassen zur Verfügung zu stellen, denen ich früher sehr bewusst "den Rücken gekehrt" habe!"

Dies beziehe ich auf solche Kassen, die durch die Kombination von einem mangelhaften Leistungsangebot in Verbindung mit hohen Verwaltungskosten und - ohne RSA - hohen Beitragssätzen aufwarten.

Vergleiche doch mal die freiwilligen Satzungsleistungen der AOKs oder der Techniker Krankenkasse mit demjenigen vieler seriöser BKKs (Ausnahme: Echte "Billig-BKKs" wie BKK Taunus etc., die sich zwecks Beibehaltung eines vordergründig günstigen Beitragssatzes auf das absolute Minimum beschränken - was viele Versicherte hinterher spürbar bereuen, beispielsweise hat "meine" Krankenkasse - BKK Gothaer, Verkehr und Dienstleistungen - aus diesem Grund schon viele Wechsler von derartigen "Billig-BKKs" alsNeumitglieder gewonnen). Hierüber habe ich mich in anderen Forumsbeiträgen schon ausführlich geäußert.

Das mangelhafte Leistungsangebot der RSA-Empfängerkassen führt u. a. dazu, dass ihren Versicherten sinnvolle alternative Möglichkeiten vorenthalten werden - was oftmals eine lange Kette sinnloser und damit umso kostenträchtigerer Untersuchungen/Behandlungen nach sich zieht und gerade solche Krankenkassen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil sozial Schwacher im Laufe der Zeit in den finanziellen Ruin führt.

Außerdem wird nicht in jedem kleinen Dorf eine Geschäftsstelle benötigt (Einsparung von oftmals teuren Raummieten und sonstigen Verwaltungskosten). "Meine" BKK (BKK Gothaer, Verkehr und Dienstleistungen) betreibt bundesweit gerade "mal 3 Service-Center - ist dafür jedoch an 365 Tagen/Jahr für alle medizinischen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen sowohl telefonisch als auch per Fax, E-Mail und Internet - nach meiner bisherigen Erfahrung sehr fachkompetent - erreichbar!

Ich hoffe nun deutlich gemacht zu haben, dass meine eingangs aufgeführte und von Dir aus einem meiner letzten Forumsbeiträge herausgefilterte Aussage nicht gegen die Solidarität mit sozial Schwachen gerichtet ist - sondern gegen das unwirtschaftliche und in Leistungsbelangen kundenfeindliche Verhalten der RSA-Empfängerkassen.

Der Wettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen hatte nach meinem Wissen "mal die Zielsetzung, unwirtschaftlich arbeitende Krankenkassen dauerhaft vom Markt zu entfernen und - durch die Möglichkeit des freien Krankenkassenwahlrechts - die GKV insgesamt verstärkt an den Bedürfnissen der Versicherten auszurichten. Dies wird jedoch durch den RSA - der nach meinem Wissen bis 2007 noch deutlich ausgeweitet werden soll - komplett konterkariert.

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

rammel, Montag, 28.07.2003, 17:33 (vor 7579 Tagen) @ Elgin Fischbach

Ich habe auch schon Satzungsleistungen verglichen und kam genau auf das Gegenteil, nämlich das die meisten BKKs nicht annähernd so viele Zusatzleistungen in der Satzumg bieten wie die großen Kassen!
Außerdem hab ich auch schon bei BKKs angerufen und wurde regelrecht unkompetent beraten (zwei anrufe bei der selben BKK, zwei verschiedene Mitarbeiter und zweimal die gleiche Frage und was für ein Wunder, zwei verschiedene, genau gegensätzliche Antworten... kann ich mir dann die Antwort raussuchen die mir lieber ist und die stimmt dann?)
Also soviel für mich über BKKs....

Der RSA ist eine sinnvolle Sache... verrat mir mal welche KK du meinst mit überaus hohen Verwaltungskosten? Auf der nächsten Seite ist z.B. ein Teil vom Geschäftsbericht der AOK BW mit Verwaltungsausgaben in Höhe von 4,9% der Gesamtausgabe (Werbung, Gehälter, Miete etc.)
Bei manchen BKKs werden die Verwaltungskosten auch noch vom Trägerbetrieb finanziert und die kommen dann im Gecshäftsbericht gar nicht vor...

Außerdem ist der RSA auch dafür da, dass z.B. Chroniker-programme entsethen, dass es Ihnen besser geht und dass dann eine KK eben mehr zahlen muss, wenn sie kein eigenes Programm entwickelt, dass ist gut, sogar sehr gut...

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Montag, 28.07.2003, 18:18 (vor 7579 Tagen) @ rammel

Ich habe keineswegs bestritten, dass es auch unter den BKKs manche "schwarzen Schafe" gibt (worüber in diesem Forum schon viel berichtet wurde).

Bei anderen AOKs sieht es bezüglich der Verwaltungskosten deutlich schlechter aus: Bis zu 6 %! Baden-Württemberg gehört auf Grund seiner Bevölkerungsstruktur nun "mal nicht zu den armen Bundesländern ...

Chronikerprogramme werden auch von einigen BKKs angeboten (u. a. auch von der BKK Gothaer, Verkehr und Dienstleistungen, bei der ich derzeit versichert bin).

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

Heri Zey @, Sonntag, 10.08.2003, 08:59 (vor 7567 Tagen) @ Elgin Fischbach

Hallo Elgin,

Sie haben, fürchte ich, mein Herz gewonnen.
Sie schreiben: "zumal bestimmte Personengruppen auch bei besserer Konjunkturlage auf dem 1. Arbeitsmarkt praktisch chancenlos sind: Ältere (in der IT-Branche gilt man in vielen Betrieben schon mit über 35 Jahren als zu alt!), Schwerbehinderte - teilweise trotz fachlicher Bestqualifikation, Frauen mit Kindern - auch wenn sie Betreuungsmöglichkeiten gefunden haben und ein hohes Qualifikationsniveau aufweisen (wegen der aus Arbeigebersicht mangelnden Flexibilität bei der Arbeitszeit), Absolventen kultureller und pädagogisch-sozialer Berufsbilder"
Bevor Sie mich nicht nur beschimpfen (s. o.), sondern mich auch noch als herzlos ansehen, lassen Sie mich ein, zwei Worte zu meiner Person verlieren.
Ich bin 1. selbständig und doch 2. freiwillig bei der DAK und habe 3. private Zusatzversicherungen, 4. mein Geschäftspartner ist hochqualifiziert und zu 100% behindert, 5. habe ich ein "Null-Profit-Fach" (schöner Ausdruck!) studiert und bin 6. in der IT mit Anfang 30 tätig, aber fühle mich 7. nicht alt.
Nun zu Ihren Befürchtungen. Könnte es sein, dass Sie ganz, ganz tief in der Klamottenkiste der Sozialromatiker wühlen, wo sich nur böse, unsoziale "Reiche" und viel vuel mehr benachteiligte "Arme"? Schwarz und Weiß? Aber wo ist der große Graubereich bei Ihnen? Verstehen SIe mich nicht falsch: Ich will Sie nicht diskreditieren (zumindest nicht mehr als Sie mich mti Ihren Beiträgen), vielleicht kennen Sie wirklich als die Bedürftigen, die Ihnen am Herzen liegen. Ich jedoch kann Ihnen sagen:
1. "Ältere" ab 35 kenne ich eine Menge in der "harten" IT-Branche
2. Schwerbehinderte haben es schwer, das ist richtig. Oftmals hängt es aber auch davon ab, was sie auf ihrer Lage machen
3. Frauen mit Kinder SIND oftmals inflexibel, da sie auf ihre Kinder große Rücksicht nehmen. Und die, die es nicht tun, werden in der Peergroup leider sehr schnell als "Rabenmütter" beschimpft
4. Absolventen von "soften" Fächern sind zwar qualifiziert, aber oftmals "Fachidioten", die sich an ihre Nischen klammern, und vergessen, dass sie ihr Studium (MA/ BA) in erster Linie dafür qualifiziert, sich in viele Themen einzuarbeiten.
Ganz abgesehen davon werden solchen Fächer oftmals nur studiert, weil akut nichts besseres eingefallen ist.
5. Diese "Personengruppen" werden nicht ausgegrenzt, sondern viel mehr grenzen sie sich teilweise selbst aus. Z. B. ein Germanist, der meint, er könne keine PC zusammenbauen, weil er "dafür nicht studiert" habe. Oder die Mutter, die immer Punkt 13 Uhr nach Hause muss, weil da die Kleinen nach Hause kommen und futtern wollen. Oder unseren Älteren, die glauben, sie könnten in ihrem erlernten Beruf bis zur Rente arbeiten und müssten nichts dazulernen.
Einzelbeispiele? Ja, sicher, und eben so Schlaglichter wie Ihre Aufzählung des Leids.
6. Was sind "menschenverachtende gesundheitliche Anforderungen" und was ist die "menschenverachtende Wirtschaft"? Ich bitte Sie: Das ist doch sozialromantisches Geschwafel, das mit nichts zu belegen ist! Fragen Sie mal bei dem Finanzamt Ihres Vertrauens nach; Unternehmer sind verpflichtet (!), Geld zu verdienen, weil sie sonst der Liebhaberei frönen. Und ganz abgesehen davon: Sie wollen auch Geld verdienen. Wieso sollte ich mit 12 oder 14 Stunden-Tagen meinen Arbeitnehmern nicht zumuten können, auch mal so lange zu arbeiten? Weil sie sonst "zusammenklappen"? Dann bin ich schon lange tot und begraben! Vielleicht sollten Sie mal Ihren "geknechteten" Arbeitnehmer fragen, ob sie gerne 35 Stunden die Woche arbeiten (eine tolle Idee der IGM), um zur Belohnung nach einem Jahr gar keinen Arbeitsplatz mehr zu haben?

Lieber Elgin, bringen Sie einmal Fakten und nicht leeres Gewerkschafts-Linkssoziales-Palaver. Das könnte helfen. Uns allen.

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Sonntag, 10.08.2003, 15:20 (vor 7566 Tagen) @ Heri Zey

Bei meinen Beiträgen handelt es sich keineswegs um einseitiges gewerkschaftlich-linkssoziales "Geschwafel" - sondern um handfeste Erfahrungen von mir und anderen:

Ich vertrete innerhalb der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ehrenamtlich Erwerbslose - denn diese stellen seit der ver.di-Gründung eine gleichberechtigte Personengruppe dar (im Gegensatz zu den früheren "Alt"-Gewerkschaften und anderen DGB-Gewerkschaften wie beispielsweise der IG Metall).

Im Rahmen dieser ehrenamtlichen Arbeit habe ich - neben meinem eigenen Schicksal - noch etliche andere Betroffene kennen gelernt, die trotz aktiver Bemühungen um einen Arbeitsplatz seit Jahren chancenlos sind. Die rigiden Sparmaßnahmen der Arbeitsämter bei beruflicher Umschulung und Weiterbildung sowie bei Lohnkostenzuschüssen etc. - verstärkt durch die "Hartz-Gesetze" - verschlimmern die Lage noch zusätzlich, denn die von Ihnen zu Recht eingeforderte berufsfachliche Flexibilität wird auf diese Art und Weise bedeutend erschwert. Des Weiteren wird bei einem vorgeschalteten unbezahlten Praktikum vom Arbeitsamt angenommen, dass der zuvor arbeitslose Praktikant in der Zeit seines Praktikums nicht verfügbar sei - was zum kompletten Leistungsentzug (bei Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe) führt; dies bedeutet faktisch: Wer einem potentiellen Arbeitgeber im Vorfeld eines festen Arbeitsvertrages ein niederschwelliges Kennenlernen ermöglichen will, wird bestraft!

Ich beispielsweise habe bereits 3 Berufe erlernt (teils selbst finanziert!): Industriekauffrau, Fachinformatikerin/Fachrichtung Anwendungsentwicklung, Ausbildereignung gemäß AEVO (um auch hauptamtlich - beispielsweise als Ausbildungsleiterin - in der beruflichen Ausbildung Jugendlicher und bei Umschulungen/Weiterbildungen mitwirken zu können). Auch die Fachhochschulreife an einer berufsbildenden Schule für Wirtschaft und Verwaltung habe ich "nachgeholt". Meine "Mankos": Ärztlich attestiertes Angewiesensein auf einen rauchfreien Arbeitsplatz (wegen Asthma und Heuschnupfen - wegen der hohen Anzahl der bei mir relevanten Allergene kommt eine Hyposensibilisierung aus ärztlicher Sicht nicht in Frage) und fehlende mehrjährige Berufserfahrung (wie soll ein Arbeitnehmer diese erwerben, wenn er keine entsprechende Chance dazu bekommt? - mit Ausnahme kurzzeitig befristeter Aushilfsarbeitsverhältnsse als Krankheits-/Urlaubs-/Kurvertretung habe ich bis jetzt noch keine Arbeitsangebote erhalten).

Apropos Frauen mit Kindern (aus Arbeitgebersicht mangelnde zeitliche Flexibilität): Eltern müssen sich - zwangsläufig - nach den Öffnungszeiten bzw. Stundenplänen der Kindergärten und Schulen richten, in denen sie ihre Kinder betreuen lassen. Ganztageseinrichtungen sind hier in Deutschland leider noch Mangelware - und "Schlüsselkinder" haben beispielsweise ein nachweisbar erhöhtes Risiko, wegen übermäßigem Fernsehkonsum, übermäßigem Spielen am Computer etc. (während der Abwesenheit der Eltern) gewalttätig zu werden. Im Rahmen etlicher Gewalttaten von Kindern und Jugendlichen - auch an Schulen - ist dieses Problem schon oftmals auch von wissenschaftlicher Seite angesprochen worden.

Apropos "Selbstständigkeit": Solange Selbstständige nicht ausnahmslos gleichberechtigt in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversichert sind (wie im Rahmen einer - auf alle gesetzlichen Sozialsysteme bezogenen - Bürgerversicherung beispielsweise von den Grünen angestrebt), kommt die Selbstständigkeit für mich als Alternative nicht in Frage!

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

Heri Zey @, Sonntag, 10.08.2003, 16:08 (vor 7566 Tagen) @ Elgin Fischbach

Hallo Elgin,

was ich nicht wusste, war dass Sie weiblich sind, der Name war mir völlig unbekannt. Nun habe ich es gelernt ...

Nein, das wird keine persönliche Vendetta zwischen uns, ich möchte nur, nach Ihren Ausführungen, eine Chance zur Erwiderung nutzen.

Nun, dass Sie sozial engagiert sind, dachte ich mir, auf Verdi hätte ich getippt. Problematisch bei allem, was wir sagen, wird sein: Sie haben eigene Erfahrungen, ich habe auch welche - und diese unsere sind leider diametral.
Obgleich wir nicht so weit auseinanderliegen. Ich habe auch drei Berufe "erlernt": Studium (B.A.), Werkschutzfachkraft (in NRW, wo Verdi unbedingt streiken musste - sorry, das ist mein wunder Punkt, bei dem ich Schaum vor den Mund bekomme) und ebenfalls AEV. Im Weiterbildungssektor arbeite ich somit auch, nur eben selbständig (nicht als Einzelkampf-Freiberufler).

Was mich an brennensten interessiert: Was verstehen Sie unter "gleichberechtigt in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversichert "? Ich bin durchaus egoistisch und halte nichts von dem deutschen SV-System, aber ich zahle meinen Beitrag zu KV zzgl. PV UND den VOLLEN RV-Beitrag, da ich als freier Lehrer ohne Angestellte (die kann ich mir zZ. bei den Sozialabgaben nicht leisten - um einen Ang. mit 2.000 EUR einzustellen, müsste dieser erst einmal 3.000 EUR erwirtschaften) voll RV-pflichtig bin. Reicht das noch immer nicht?! Wie viel soll ich noch zur "Solidargemeinschaft" beitragen? Von jedem Euro, den ich umsetzte, bleiben mir nach allen Kosten (auch Firmenausgaben) so um die 40 ct.! Und genau deshalb bin ich für eine gleiche KP; sonst überlege ich mir jeden Morgen, warum ich aufstehe. Nur dann wäre es annähernd gerecht. Und genau deshalb habe ich den Vorschlag der Grünen unterstützt, wenn auch nicht in Gänze.

Abschließend möchte ich noch in den Raum stellen, ob Ihre Sicht nicht ein wenig lobbyistisch geprägt sein mag? Eben eine jener Lobbies, die einen Fortschritt verhindern?

MfG H.

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Sonntag, 10.08.2003, 18:34 (vor 7566 Tagen) @ Heri Zey

Apropos ver.di-Streik im Wachgewerbe NRW: Gerade die privaten Wach- und Sicherheitsdienste zahlen im Regelfall vielen Vollzeit-Arbeitskräften keine existenzsichernden Löhne und Gehälter - nicht zuletzt deshalb hat ver.di bereits vor dem von Ihnen angesprochenen Tarifabschluss in NRW auf einen tariflichen Mindestlohn für die Beschäftigten dieser Branche auf Bundesebene erzielen können. Denn: Wer ganztags arbeitet, muss davon eine wirklich menschenwürdige Existenz (im Gegensatz zur heutigen Sozialhilfe - die lt. aktueller Meldungen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes wegen der in den letzten 10 Jahren aus kurzfristigen fiskalischen Gründen erfolgten "Deckelungen" - trotz in diesem Zeitraum gestiegener allgemeiner Lebenshaltungskosten - um ca. 16 % zu niedrig ist) bestreiten können! Darüber hinaus müssen per Tarifvertrag für alle Beschäftigtengruppen in allen Bundesländern die Preissteigerungsraten ausgeglichen werden - also auch in NRW!

Was ich unter "gleichberechtigt pflichtversichert" verstehe:
1) Ausweitung des pflichtversicherten Personenkreises auf Selbstständige, Freiberufler, Beamte (weshalb soll dieser Personenkreis von der allgemeinen Versicherungspflicht ausgenommen werden, was im negativen Fall beispielsweise bei späterer Erwerbslosigkeit den Gang aufs Sozialamt zur Folge hat - wegen in der Vergangenheit nicht geleisteter Beitragszahlungen an die Arbeitslosenversicherung?)
2) Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze (damit sich Besserverdienende nicht legal von ihren solidarischen Pflichten gegenüber der Gesellschaft entziehen können).

Apropos Solidarität: Im Grundgesetz ist bis heute vorhanden, dass jede(r) BürgerIn einen seiner individuellen Leistungsfähigkeit angemessenen Beitrag für die Allgemeinheit zu leisten hat - bloß wird dies seit ca. zwei Jahrzehnten von der politischen Praxis konterkariert (siehe rot-grüne Steuerreform: Überproportionale Absenkung des Spitzensteuersatzes/Einnahmeausfälle bei der Körperschaftssteuer etc., siehe Sozialreformen: Einseitige Entlastung der Arbeitgeber bzw. Einstieg in den Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung - sei es in Form von künftig privat zu versichernden Leistungsausgliederungen aus der GKV oder die Einführung der "Riester-Rente" in Kombination mit der Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus)!

In diesem Zusammenhang steht auch im Grundgesetz: Eigentum verpflichtet, es soll dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Die politischen Antworten darauf wären:
1) deutliche Erhöhung der Erbschaftssteuer auf internationales Niveau
2) verfassungskonforme Wiedereinführung der Vermögenssteuer
Selbst in den von der Wirtschaft oftmals so hochgelobten USA sind diese Steuerarten vorhanden (Vermögenssteuer) bzw. auf einem deutlich höheren Niveau angesiedelt (Erbschaftssteuer).

Apropos "Lobbyinteressen": Gewerkschaften sind keine Blockierer und Reformverhinderer (wie derzeit oftmals unterstellt)! Beispielsweise hat mittlerweile selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung erkannt, dass die derzeitige, ungewöhnlich lang anhaltende Wirtschaftskrise auf einer zu schwachen Binnennachfrage beruht - denn Deutschland ist nach wie vor Exportweltmeister (wäre der Export nicht so stark, wäre die derzeitige Wirtschaftskrise noch weitaus schwerwiegender als heute). Hieraus folgt: Wir benötigen nicht noch mehr Entlastungen für Besserverdienende, Vermögende und Unternehmer (angebotsorientierte Wirtschaftspolitik), sondern endlich eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik (von der Arbeitnehmer der unteren und mittleren Einkommensgruppen sowie sozial Schwache profitieren, die ihre Einkommen im Gegensatz zu Vermögenden und Besserverdienenden unmittelbar nachfragewirksam ausgeben). Die Privatisierung bisher von der gesetzlichen Sozialversicherung übernommener Leistungen ist in diesem Zusammenhang absolut schädlich - denn die den Arbeitnehmern auf diese Art und Weise einseitig aufgebürdete soziale Absicherung entzieht ihnen Kaufkraft und schwächt somit den privaten Konsum noch zusätzlich. Außerdem benötigen wir eine weitaus deutliche Steuerentlastung der unteren und mittleren Einkommensgruppen als bisher - dazu gehört nach meiner persönlichen Meinung beispielsweise auch eine deutliche Anpassung des steuerfreien Existenzminimums nach oben hin (Bruttojahreseinkommen bis zu 18.000,00 EUR für Singles bzw. 24.000,00 EUR für Verheiratete mit einem Alleinverdiener, je Kind zusätzlich bis zu 3.600,00 EUR/Jahr).

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

summ, Dienstag, 12.08.2003, 09:19 (vor 7565 Tagen) @ Elgin Fischbach

Wozu Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze? Diese Grenze muss und soll bleiben.... soll vielleicht einer der über 3450,-€ verdient aus dem übersteigenden Betrag auch noch bezahlen? Das wird dann so langsam etwas happig...

Und zu Gewerkschaften:
Tolle Aktionen bringt ihr, blockiert alles und seid so langsam wirklich fehl am Platz.... nach der Streik-Aktion im Osten bin ich ausgetreten, das kann nicht sein!

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Dienstag, 12.08.2003, 11:18 (vor 7564 Tagen) @ summ

In der GKV gibt es gleiche Leistungen bei individuell einkommensabhängigen Beiträgen - d. h. Besserverdienende zahlen einen Solidarbeitrag. Dieser wird jedoch derzeit durch die Beitragsbemessungsgrenze beschnitten - einer von mehreren Gründen für die heutigen Finanzprobleme der GKV!

Gewerkschaften sind keine Blockierer - sondern vertreten die berechtigten Interessen von abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen, Kranken und RentnerInnen nach existenzsichernden Einkommen und sozialer Absicherung gegenüber der unbegrenzten Profitorientierung der Arbeitgeber, gegenüber überdurchschnittlich Vermögenden und der mittlerweile einseitig neoliberalen (d. h. arbeitnehmer- und sozialfeindlichen) Politik! Anscheinend sind Ihnen diese Aspekte nicht wichtig - denn sonst wären Sie nicht ausgetreten!

Ich hoffe sehr, dass Sie nicht unverhofft in eine soziale Notlage geraten (abgesehen von "Beamten auf Lebenszeit" hat heutzutage niemand mehr einen sicheren Job, die unbegrenzte Ausbeutung der Arbeitgeber ruiniert auf Dauer die eigene Gesundheit, und gerade Nicht-Gewerkschaftsmitglieder sind wegen fehlender Tarifbindung noch stärker von Niedriglöhnen betroffen als Gewerkschaftsmitglieder) - denn dann bin ich sehr gespannt darauf, wie Sie ohne solidarische Unterstützung damit klarkommen (Ersparnisse sind nicht unbegrenzt verfügbar, bei Langzeitarbeitslosigkeit - die heutzutage jeden treffen kann, vor allem Ältere und gesundheitlich Eingeschränkte - vom Arbeits- und Sozialamt rigide auf die Arbeitslosen- und/oder Sozialhilfe angerechnet, über eine Privatisierung des Krankengeldes wird derzeit diskutiert, und FrührentnerInnen müssen heutzutage erhebliche Rentenabschläge hinnehmen).

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

summ, Dienstag, 12.08.2003, 13:18 (vor 7564 Tagen) @ Elgin Fischbach

Und was war mit denjenigen, die zum arbeiten wollten, die aber daran durch die Streikenden gehindert wurden?
Was ist mit den geplanten Investitionen von BMW und anderen Firmen, die Aufgrund von einem sinnlosen Streik wegen einer Arbeitszeitverkürzung (bei der Arbeitslosigkeit sollte man froh sein, wenn man 38 Std. zum arbeiten gehen kann!!) übre Ihr Engagement nachdenken und somit in dieser Region unter Umständen keine neue Arbeitsplätze entstehen?
Was ist mit der Einsicht, dass wir an unserem Staat etwas ändern müssen und nicht mehr alle wie kliene Ferkel an der Muttersau Staat saugen können....?
Meine Interessen vertreten Gewerkschaften auf jeden Fall nicht mehr und das hat mir die sache im Osten und der Streit um die Spitze sehr deutlich gezeigt!

Zur Beitragsbemessungsgrenze: es muss auch einmal einen Betrag geben an dem gestoppt wird und ich denke nicht das hier der Grund liegt, warum es der GKV so schlecht geht, da sin mehrer Gründe daran schuld (z.B. Missbrauch, unnötiges verschreiben von Medikamenten, wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt renne... usw, es sollte an den Ausgaben gespart werden und nicht noch mehr Geld in eines der gestopftesten Systeme zu drücken!!!)... aber ich nehme mal an das sie die jahresarbeitsentgeltgrenze gemeint haben, dann bin ich mit Ihrer Aussage einverstanden.. es kann nämlich auch nicht sein und bestimmt auch nicht im Sinne des Generationenvertrages und Solidarität, das einer aus Einkünfte von über 3450,-€ Beiträge bezahlt werden sollen... irgendwann ist auch mit der Ausbeute schluss!

Re: Bürgerversicherung

Heri Zey @, Dienstag, 12.08.2003, 13:58 (vor 7564 Tagen) @ summ

Nun, ich sehe, unsere "Vendetta" hat Zuwachs bekommen ...

Zuerst zu Ihnen, liebe Elgin. Ich fürchte, es macht sehr wenig Sinn, Ihnen Argumente zu entgegnen, weil Sie sie nicht akzeptieren (wollen). Sie haben Ihre Sicht, die Sie für richtig halten mögen, und lassen sich auf andere Perspektiven nicht an - oder benutzen das liebste Totschlagargument: Unsolidarisch - unsozial. Das ist wie ehedem ketzerisch/ häretisch. Nichtsdestotrotz merke ich an, dass 30% der "Gutverdienenden" 70% der Steuer- und Abgabenlast tragen, und entsprechend die anderen 70% die übrigen 30% (Zahlen aus 2002). Und Sie wollen ernsthaft behaupten, dass 70%, die abgenommen und umverteilt werden, noch zu wenig sind?! Pardon, das geht doch schwer in Richtung Futterneid.
Natürlich können Sie immer Beispiele "Benachteiligter" finden, seien es Ihre Kleinrentner (ja, meine Mutetr macht"s auf 400 EUR und ist NICHT das strahlende Leben, lässt sich aber nicht hängen!) oder Behinderte oder oder oder ... Doch das ist systemimmanent und NICHT auszuschließen oder zu beheben, egal wie viel Sie von anderen haben wollen. Nicht einmal im real existierenden Sozialismus gab es reinee, pure , funktionierende Egalité.
Ihr Engagement in Ehren, es ist gut, DASS Sie sich einsetzen, doch seien Sie bitte etwas realistischer und nicht so verbohrt.
Was Ihren Vorschlag angeht, Paare ohne Kinder "anzuzapfen". Da bleibt mir zu sagen: Wohlfahrsdiktatur erster Güte! Qua GG habe ich (und insbesondere eine FRAU - Emanzipation als Stichwort), das RECHT auf Freiheit und Freizügigkeit; dies impliziert auf eine Entscheidung gegen Kinder! Was Sie wollen ist unsagbar und indiskutabel: zuerst die "Reichen", dann die Kinderlosen, später die mit Eigentum und am Schluß jeder, der individuell ist? Nein danke!

Zu summ und Streiks. Sehr recht, summ! Was ist mit denen, die arbeiten WOLLEN?! Die haben das Recht zu arbeiten. Es mag schwer sein für Gewerkschaften und Gewerkschaftler, die ja per se Gutmenschen sind, die sich brüderlich schwesterlich christlich für ihre armen, benachteiligten und dummen Mitmenschen einsetzen, einzusehen, dass ich FREI und INDIVIDUELL entscheiden kann, was ich mache. Doch es ist so. Weder Sie noch Verdi noch irgendein Betriebsrat schreiben MIR vor, was ich mache. Ich kann für mich selber einstehen und brauche keine pseudo-philantropen Fürsprecher, die für mich entscheiden, was mein Bestes sein mag.
Und endlich: Wenn ich in eine "Notlage" komme, können mir Gewerkschaft und Sozialkassen gestohlen bleiben, auch dann stehe ich für mich selber sein, ohne Lobby und Gejammer. Und wenn ich die Straße fege, Laub reche und Klos saubermache - ich MACHE etwas, statt zu palavern oder zu streiken. Übrigens: die 1,4% bzw. 2% mehr, die Verdi so glorreich "errungen" hat, entsprechen zum Großteil (2%) dem Angebot der AG. Und was davon übrigbleibt: 0,00 EUR und 0,00%! Weil die AG nämlich mit der gutenTante ÖTV im MTV festgelegt haben, dass Lohnerhöhungen auf die ATZ (außertarifl. Zulage) angerechnet werden können. Schönen Dank auch!
Gruß H.

Re: Bürgerversicherung

summ, Dienstag, 12.08.2003, 14:42 (vor 7564 Tagen) @ Heri Zey

Die Sozialkasse brauche ich dann schon, kommt ja dann ganz darauf an, in welche Notlage ich komme... aber das wichtigste ist, dass man probiert so schnell wie möglich und egal wie dort wieder raus zu kommen und das man nicht da sitzt und jammert und sich am besten noch das Toilettenpapier an Arsch heben läst!

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Dienstag, 12.08.2003, 14:59 (vor 7564 Tagen) @ summ

Ich habe sinngemäß nichts anderes behauptet. Wobei man nun "mal leider berücksichtigen muss, dass bestimmte, zu Recht schutzbedürftige Personengruppen auf dem Arbeitsmarkt von dauerhafter Ausgrenzung bedroht sind (worüber ich in diesem Forum schon mehrfach informiert habe) - und dies nicht wegen Arbeitsunwilligkeit, sondern wegen der Verweigerungshaltung der Arbeitgeber (was bedeutet, dass dieser Personenkreis seine lang anhaltende Erwerbslosigkeit nicht selbst zu verantworten hat!)! Dass dies die Sozialausgaben unseres Staates überproportional "in die Höhe schnellen" lässt, brauche ich wohl nicht weiter zu kommentieren. Jemand der arbeitet - auch wenn er im Einzelfall noch so schutzbedürftig ist, kostet unsere Solidargemeinschaft mittel- und längerfristig deutlich weniger als im Falle dauerhafter Erwerbslosigkeit (was die Arbeitgeber jedoch nicht einsehen wollen).

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Dienstag, 12.08.2003, 14:51 (vor 7564 Tagen) @ Heri Zey

"Und endlich: Wenn ich in eine "Notlage" komme, können mir Gewerkschaft und Sozialkassen gestohlen bleiben, auch dann stehe ich für mich selber sein, ohne Lobby und Gejammer. Und wenn ich die Straße fege, Laub reche und Klos saubermache - ich MACHE etwas, statt zu palavern oder zu streiken."

Wie sie von derart niedrig entlohnten Hilfstätigkeiten - die heutzutage aus Kostengründen immer mehr wegrationalisiert werden - eine wirklich menschenwürdige Existenz bestreiten wollen, lasse ich hier "mal bewusst offen!

"Übrigens: die 1,4% bzw. 2% mehr, die Verdi so glorreich "errungen" hat, entsprechen zum Großteil (2%) dem Angebot der AG. Und was davon übrigbleibt: 0,00 EUR und 0,00%! Weil die AG nämlich mit der gutenTante ÖTV im MTV festgelegt haben, dass Lohnerhöhungen auf die ATZ (außertarifl. Zulage) angerechnet werden können. Schönen Dank auch!"

Die Arbeitgeber fordern mittlerweile Nullrunden oder gar eine Rücknahme von in der Vergangenheit hart errungenen Tarifstandards. Derzeit steht in diesem Zusammenhang beispielsweise - mit dem Argument der Angleichung an die Beamtengehälter - in einigen Bundesländern das Weihnachts- und Urlaubsgeld auf dem Prüfstand!


Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung

Elgin Fischbach @, Dienstag, 12.08.2003, 14:44 (vor 7564 Tagen) @ summ

Den Unternehmern muss klar gemacht werden, dass eine gute Infrastruktur sowie qualifizierte, gesunde und motivierte ArbeitnehmerInnen - wovon sie auch selbst profitieren - nicht "for umme" zu haben sind; d. h. dass auch Unternehmen ihren angemessenen Beitrag (der individuellen Leistungsfähigkeit entsprechend) für die Allgemeinheit zu leisten haben! Seit ca. 2 Jahrzehnten sind Unternehmen und Besserverdienende im Vergleich zu unteren und mittleren Einkommensgruppen - bezogen auf den einzelnen Steuer- und Beitragszahler - überproportional entlastet worden (angefangen von der Steuerpolitik bis hin zur teilweisen Aufgabe der paritätischen Finanzierung - wie in Form der "Riester-Rente" bereits geschehen und im Rahmen der GKV in Form von Leistungsausgliederungen derzeit angestrebt).

Um dies im internationalen Wettbewerb durchsetzen zu könenn, benötigen wir - neben der bereits bestehenden, verbindlichen europäischen Wirtschafts- und Währungsunion - endlich auch eine verbindliche europäische Sozialunion (deren Minimalstandards nicht von den schwächsten EU-Mitgliedern bestimmt werden!).

Weshalb sollen Besserverdienende - in Form einer Beitragsbemessungsgrenze oder ähnlichem - letztlich besser gestellt sein als andere Einkommensgruppen? Hierfür gibt es für mich absolut keinen objektiven Grund - denn unser gesetzliches Sozialversicherungssystem beruht auf dem Grundsatz der Solidarität! Das hat nichts mit "Ausbeute" zu tun - vielmehr müssen endlich auch die oftmals gut betuchten Arbeitgeber (die unbegrenzte Profitmaximierung kennt dort keine Grenzen!) für die teils unbegrenzte "Ausbeutung" ihrer ArbeitnehmerInnen (vor allem in nicht tarifgebundenen Unternehmen - aber auch in immer mehr tarifgebundenen Unternehmen werden Tarifverträge von der Geschäftsleitung teils bewusst unterlaufen) "die Zeche zahlen". Dass überproportional viele Langzeitarbeitslose gesundheitliche Einschränkungen aufweisen, kommt schließlich nicht von ungefähr!

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung - ein Vorschlag

Heri Zey @, Dienstag, 12.08.2003, 17:59 (vor 7564 Tagen) @ Elgin Fischbach

Bevor wir uns noch mehr und den Faden (Bürgerversicherung!) verlieren, möchte ich einen Vorschlag machen. Und Ihre Meinung(en) dazuhören.

1. Mitgliedspflicht für ALLE in der GKV
2. Der Leistungskatalog der GKV umfasst nur noch "Grundleistungen": ärztliche und zahnärrztliche Untersuchungen, Zahnziehen, Prothesen und deren Reparatur -> Beitrag bei 8 - 9%
3.Alles andere wir in "Private Zusatzkassen" ausgegliedert, die Einzelleistungen und/ oder Pakete anbieten, z. B. Krankenhausaufenthalt, Kronen, Krankengeld etc. Eine erweiterte Grundversorgung (Krankenhaus, Krankengeld u. ä. ist PFLICHT, allerdings können Art und Kasse gewählt werden. Alles andere ist optional. Auch hier gilt die paritätische Zahlung 50/50 AN/ AG bei der GRUNDversorgung
4. Kinder, Jugendliche bis 18, Behinderte, chronisch Kranke u. ä. werden voll solidarisch finanziert
5. Für ärztliche, zahnärztliche und Krankenhausbehandlung etc. gibt es eine Tarifliste, nach denen der Arzt/ das KH abrechnet und eine Rechnung an den Patienten schickt, der sie dann an seine Kasse weitergibt oder entsprechend reklamiert/ nachfragt, also sozusagen Leistungen "freigibt". Damit wird die unnötige "Privatrechnung", z. B. beim Zahnarzt ausgeschlossen, der weiss nicht, ob es ein "Vollprivater" oder "Kassenpatient" ist
6. KZV u. a. werden abgeschafft
7. Ähnliches Prinzip für RV, AV

Wie wär"s damit?

Übrigens: Single zahlt bei 2003 über 65% Abgaben aus seine Einnahmen, ein Doppelverdiener-Ehepaar ca. 55%, ein Renter 25%, ein Alleinerziehender mit Kind 45%.

Gruß H.

Re: Bürgerversicherung - ein Vorschlag

Elgin Fischbach @, Dienstag, 12.08.2003, 23:33 (vor 7564 Tagen) @ Heri Zey

1) Volle Zustimmung
2) und 3) Ablehnung: Die private Krankenversicherung (PKV) betreibt Risikoselektion - d. h. je nach Alter und Gesundheitszustand erfolgt erst gar keine Aufnahme. Außerdem gibt es in der PKV keine einkommensabhängigen Beiträge - d. h. Einkommensschwache müssen den gleichen Beitrag bezahlen wie Besserverdienende.
4) - 6) einverstanden!
7) mit Einschränkung - siehe meine Zustimmung bzw. Kritik zu den Punkten 1) - 6)

Weshalb soll ein Single einen höheren Prozentsatz seiner Einnahmen zahlen als ein Doppelverdiener-Ehepaar ohne Kinder (bei dem beide Eheleute ganztags arbeiten)? Bei Doppelverdiener-Ehepaaren ohne Kinder sollte jeder Partner den gleichen Beitragssatz zahlen wie ein Single - denn zusätzliche Aufwendungen im Vergleich zu einem Single bestehen in diesem Fall nicht!

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung - ein Vorschlag

summ, Mittwoch, 13.08.2003, 08:46 (vor 7564 Tagen) @ Heri Zey

"Zuerst einmal, weiß ich von Elfin immer noch nicht was mit denen ist, die zum arbeiten wollen, ob sie die dann auch vertritt....

Nun zu deinem Vorschlag:
1) alle in die GKV ist sehr gut (Aufhebung der Jahresarbeitsendgeltgrenze, Selbstständige und natürlich auch Politiker!!!), aber dadurch fehlen dem ganzen system wieder Einnahmen, den diejenigen mit einer privaten VOLLkrankenversicherung zahlen beim Arzt mehr wie eineer der in der GKV versichert ist.... darf man auch nicht vergesssen, aber es ist ein besserer Ansatz alle in einen Topf zu werfen und niemanden auszugrenzen....
2) Ich würde nur Leistungen von den Krankenkassen ausgliedern, wie z.B. Mutterschaftsgeld, Sterbegeld usw., da dies keine Leistungen gegen Krankheiten sind und auf andere Art finanzieren.
3) find ich auch nicht so toll, diese Sachen sollten bei der GKV bleiben und zwar, weil bei den GKV das ganze System dafür schon aufgebaut ist, obwohl ich das Krankengeld auch aus der gemeinsamen Aufteilung (AG und AN) nehmen würde und nur den AN bezahlen lassen würde, da der AG schon alleine 6 Wochen Entgeltfortzahlung leistet...
4) bin ihc auch deiner Meinung, aber ich finde die Regelung wie jetzt, das eine Belastung von bis zu 1% des Einkommens durchaus tragbar ist, auch für chronisch Kranke...
5) stimme ich dir voll zu, man erhält überall eine Rechnung auf der man alles kontrolieren kann, warum denn dann auch nicht beim Arzt und im Krankenhaus?
6) teils teils, da bin ihc mir noch unschlüssig
7) RV ja; AV kann ich mich noch nicht so ganz anfreunden!"

Re: Bürgerversicherung - ein Vorschlag

Heri Zey @, Mittwoch, 13.08.2003, 09:22 (vor 7564 Tagen) @ summ

in Kürze eine Ergänzung bzw. ein Nachtrag nach den Meinungsäußerungen.

Risikoselektion ist natürlich problematisch. Ich denke jedoch, bestimmte Gruppen dürfen ruhig mehr zahlen, wenn sie "gefährdet" sind. Z. B. Raucher (ich BIN Raucher), Extremsportler etc.
Es müsste, wie bei der GKV grundsätzlich für "private" Zusatzleistungen der GRUNDversorgung Aufnahmepflicht bestehen. Es geht allein darum, es mehr zu privatisieren und damit auf der paritätisch-solidarischen Finanzierung herauszunehmen. Bitte nicht so am Wort "privat" aufhängen!

Eine "private" Krankengeldvers. hat den Vorteil, dass ich steuern bzw. nachvollziehen kann, was das überhaupt kostet. Wer kann zZ. schon sagen, wieviel meines Beitrages für was verwandt wird? Z. B. würde Krankengeld 50 EUR ab dem 21. Tag und Krankentagegeld 25 EUR ab dem 1. tag um die 50 EUR/ Mt. kosten (ergibt dann ein "NEtto" von 1.200 EUR/ Mt.).

Ich freue mich, dass wir zumindets gewisse gemeinsame Ne´nner finden!
Gruß H.

Re: Bürgerversicherung - ein Vorschlag

summ, Mittwoch, 13.08.2003, 11:07 (vor 7564 Tagen) @ Heri Zey

"Das Problem bei der Selektion von Extremsportlern, was ist Extremsport? Auf der einen Seite soll man Sport machen, da es zur Gesundheitserhaltung beiträgt, auf der anderen dann so eine Selektion... ist schwer! Nehmen wir nur mal das Beispiel Fallschirmspringen, für die meisten ist es z.B. eine Extremsportart, aber statistisch ist es eine von den Sportarten mit den wenigsten Unfällen...., dann haben wir den Volkssport Fußball, viele Verletzungen und hohes Risiko, aber kann man es als Extremsportart bezeichnen?
Zu Rauchern, natürlich haben Raucher Krankheiten, aber eine Studie hat erwiesen, das Raucher früher die Krankheiten haben, die Nichtraucher eben erst in höherem Alter bekommen und dann fallen die Nichtraucher wieder teurer...

In meinen Augen würde es alleine schon langen, wenn wirklich alle in die GKV einzahlen und die Ausgaben gedrückt werden (Medikamente - Positivliste der verodrnungsfähigen Arzneimittel und auch eine Negativliste; mehr Qualitätssicherung und Prüfung der Ärzte und natürliche eine elektronische Krankenkassenkarte um die Behandlungen darauf abzuspeichern, dass Doppelbehandlungen nicht mehr vorkommen).
Es geht bei dem Gesundheitssystem nicht darum mehr Geld rein zu bringen, sondern die Ausgaben in diesem system zu drücken... wir haben in Deutschland fast die höchsten Ausgaben und dafür nur eine mittelwertige Versorgung in ganz Europa oder sogar weltweit, das kann doch nicht sein... da muss man ansetzen"

Re: Bürgerversicherung - ein Vorschlag

Elgin Fischbach @, Mittwoch, 13.08.2003, 12:24 (vor 7563 Tagen) @ summ

Natürlich vertrete ich (auch) diejenigen, die zwar arbeiten wollen - jedoch derzeit keine Arbeit haben. Wie schon mehrfach in diesem Forum angemerkt - nicht zulezt auch auf Grund meiner Erfahrung in der ehrenamtichen ver.di-Erwerbslosenarbeit, sind bestimmte Personengruppen - meist gegen ihren Willen - von gleichberechtigter Teilhabe am 1. Arbeitsmarkt faktisch ausgeschlossen, weil sie heutzutage von Arbeitgeberseite im Regelfall keine längerfristige Chance mehr erhalten. Auch wenn es manchem schwer fällt: Diese Tatsache muss man - leider - zur Kenntnis nehmen und als Beitragszahler akzeptieren.

Was Zuzahlungen bzw. Eigenanteile anbelangt, bin ich für die Beibehaltung der bisherigen Möglichkeit der Zuzahlungsbefreiung für Einkomensschwache und die Anpassung von deren Obergrenze an die allgemeine Lohnentwicklung - denn jemand, der im (in der Praxis bereits existierenden) Niedriglohnsektor arbeitet oder langzeitarbeitslos ist, muss auch schon ohne zusätzliche Belastungen jeden Cent zweimal umdrehen!

Gruß
Elgin

Re: Bürgerversicherung - ein Vorschlag

summ, Mittwoch, 13.08.2003, 12:32 (vor 7563 Tagen) @ Elgin Fischbach

Ich meinte idejenigen, die arbeiten wollen, aber durch die streikenden nicht konnten....

Ich finde die Regelung wie bisher ok, jeder muss bis zu einem bestimmten Betrag sleber bezahlen und wenn dieser überstiegen wurde, dann von der Krankenkasse (1% vom Bruttolohn bie den Zuzahlungen) und diese Regelung sollte auch so bleiben, denn das fördert auch ein bisschen die Eigenmverantwortung!

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