Kapitalgedeckte Versicherung (Sonstige Themen)

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Donnerstag, 22.10.2009, 14:12 (vor 5322 Tagen)

Ein altbekannter reflexartiger Aufschrei der "Besitzstandswahrer" ging gestern wieder durchs Land. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,656540,00.html Gewählt ist gewählt könnten Westerwelle und andere Reformer stur sagen, machen sie aber nicht. Sicher, das sind alles Testballons um Aufgeschlossenheit aber auch Bereitschaft der Menschen für wirkliche Veränderungen in den Sozialsystemen mit seinen vielen Baustellen wie Krankenversicherung und Rentenversicherung zu erfragen. Wollen wir denn aber still warten, bis zwangsweise Leistungen wie in Großbritanien mit durchschnittlich 26 Wochen Wartefrist auf einen Facharzttermin oder der OP-Verweigerung ab einer Altergrenze auch bei uns Einzug halten. In osteuropäischen Raum schließt man gerade reihenweise Krankenhäuser und wer in Lettland noch in eins will ist bei einem Durchschnittslohn von 450€ mit ganzen 50€ täglicher Zuzahlung dabei und das geschieht in der EU ..

Was wäre denn das Problem, wenn wir vergleichbar der Versicherung unseres liebsten Autos mit Haftpflicht und individueller Teil- bzw. Vollkasko auch bei den Sozialsystemen einen Basisschutz für alle und von allen mitgetragen einführen würden. Jeder kann dann ganz nach individuellem Wunsch zuversichern und alles Hilfreiche oder Angenehme, aber auch das medizinisch noch nicht Gesicherte zuwählen. Der Spruch "der Mensch ist doch kein Auto!" ist zu platt, um Diskussionsansätze vom Tisch zu wischen. Denn wenn Krankenversicherungsbeiträgen nicht gezahlt werden, gibt es schon heute in Deutschland ein Runterfahren der Leistung auf "lebenserhaltende Maßnahmen" und auschließlich "schmerzstillende Behandlung". Keine Gewerkschaft, kein Sozialverband findet das unsozial oder ungerecht.

Europäische Nachbarn mit vergleichbarer Sozialstruktur kochen auch nur mit Wasser und vielleicht sieht man sich mal die niederländischen Erfahrungen an. Da ist jeder mit 87,50€ monatlich krankenpflichtversichert. Kinder bleiben beitragsfrei und sozial Schwächere erhalten einen Zuschuss vom Staat, so dass für jeden diese Versicherung bezahlbar ist. Die holländische Basisversicherung umfasst die nötigsten Leistungen, für alle definierten Zusatzleistungen wie Zahnersatz, Brillen, Heilpraktiker oder umfangreiche Operationen muss sich jeder selbst kümmern. Weitere 6,5% des Gehalts, was der Arbeitgeber abführt wird auf Einkommen bis 30.000€ erhoben, so daß maximal 1950€ hinzukommen. Höchstsatz also 250€ monatlich und auch alle Selbständigen sind mit 4,4% solidarisch dabei. http://www.minvws.nl/en/folders/z/2006/the-new-health-insurance-system-in-three-languages.asp Fragen? ePost

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Mindflash @, Donnerstag, 22.10.2009, 14:29 (vor 5322 Tagen) @ Joachim Röhl

Ja!

Was ist mit den chronisch kranken, die einen großen Teil der jetzigen Ausgaben ausmachen? wie sollen die eine Zusatzversicherung bekommen? Die wird entweder teuer oder abgelehnt. Der Arbeitgeber wird damit aus der paritätischen Finanzierung herausgenommen. Bedeutet, der schwächere wird noch schwächer gemacht. Dann bekommt der Diabetiker von morgen nur noch "lebenserhaltende Maßnahme", stirbt dann eher und belastet die gesunden Versicherten nicht mehr?
Und woher weiss ich als Laie dann, wenn der Arzt immer mehr Zusatzangebote macht, was dann noch wichtig ist. Ist ja jetzt schon so. Früher wurde man behandelt. Jetzt muss man bei einigen Ärzten erst einmal ein Fragebogen der selbst zu zahlenden Zusatzleistungen ausfüllen.

Ich halte das für keine gute Idee!

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Donnerstag, 22.10.2009, 16:27 (vor 5322 Tagen) @ Mindflash

Erinnern wir uns an die Vollkaskoversicherung beim Auto und seinen wir doch endlich mal so ehrlich zu sagen, daß heute in der Bundesrepublik viele eine Spitzenmedizin zum Basispreis oder fast gegen null wollen.

Um beim praktischern Großversuch Holland zu bleiben, es gibt einen Annahmezwang bei allen Versicherungen auf die Basisversorgung. Wenn das auch jetzt das schon geltende Wirtschaftlichkeitsprinzip in der GKV - alle Leistungen müssen wirtschaftlich, ausreichend, notwenig und zweckmäßig sein - nur endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden würde, könnte man ohne Zweifel den Weg unserer Nachbarn gehen und einen Mindestbeitrag von ebenso 87,50€ einführen.

Das würde praktisch aber auch bedeuten, daß wer sich nicht frühzeitig zusätzlich für solche Dinge wie Zahnbehandlung, Zahnersatz, die Facharztbehandlung bzw. stationäre Versorgung bei nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen absichert, dann später draufzahlt oder auch gar keine Leistung erhält! Aber auch die kostenlose Mitversicherung des unbeschäftigten Ehegatten, Haushaltshilfe, Kurleistung und Reha gehören bei unseren Nachbarn längst nicht mehr in den Leistungskatalog einer gesetzlichen solidarischen und vor allem preiswerten Basisversicherung. Holländische verantwortungsbewußte Eltern können, wie auch heute schon in Deutschland allerdings nur privatversicherte Väter und Mütter, für ihre Kinder ohne Gesundheitsprüfung alle erdenklichen Zusatzleistungen direkt ab Geburt versichern. Verständlich, daß es hierzu Übergangsregelungen für bereits chronisch Erkrankte u.a. vergleichbar zur von der SPD schrittweise eingeführten Regelaltersrente ab 67 bedarf. Aber irgendwann muß doch mal ein erster Schritt gemacht werden.
Wer der denn nicht als Idiot abgetan worden, der vor knapp hundert Jahren eine Mitfahrt auf der sicheren Titanic ablehnte, nur weil ihm nach einfachem Durchzählen die Zahl der Rettungsboote zu denen der mitreisenden Passagiere einfach spanisch vorgekommen wäre?

"Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie" sprachs hierzu Otto von Bismarck.

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Mindflash @, Donnerstag, 22.10.2009, 17:44 (vor 5322 Tagen) @ Joachim Röhl

Der letzte Vergleich hinkt!

Ok. Mal angenommen wir zahlen alle plötzlich 87,50 € für die Basissituation. Was sollte dann alles im Basistarif stecken? Selbst wenn es zu Zusatzversicherungen kommt und diese auch für den einzelnen finanzierbar wären, dann würden auch hier die auftretenden Erkrankungen nicht weniger. Sprich, auch unter Nichtbeachtung einer Übergangsregelung fallen für die, die bis dahin gesund waren, irgendwann wieder enorme Kosten an. Die Kosten werden sich nicht verringern, sondern eher ausweiten, da es immer private Verinbarungen mit den Behandlern gäbe und man als Laie alles angeboten bekommt, was geht. Außerdem gebe ich nochmal zu bedenken, das damit die paritätische Finanzierung fällt. Wenn wir uns mit anderen Ländern vergleichen wollen, dann müssen alle Sozialversicherungen, sowie das gesamte Steuersystem auf den Prüfstand. Geld, welches asugegeben wird, muss auch irgendwo eingenommen werden. Das merken nun ja auch die Koalitionäre. Bisher war der effektivste Sparparameter immer noch die Ausgabenseite und nicht die Einnahme. Da kommt mir die Frage auf, warum in Deutschland die höchsten Arzneimittelpreise gelten...uups. Private Versicherungen wollen ihre Aktionäre bedienen. Da soll GEld verdient werden. Es ist keine Umlagversicherung, wie es in der gesetzlichen geregelt ist. Einige Geldbeutel mögen durch eine solche Umstellung bestimmt dicker werden. Aber dieses Geld wird duch andere aufgebracht, die dafür zahlen müssen und nicht wollen.
Daher bin ich auch bereit einen vernünftigen Beitrag für unsere "Spitzenmediziner" zu bezahlen. Aber vielleicht sollte man wie bei Ihrem Vergleich mit der Vollkasko-Versicherung die Ausgabenverursacher näher beleuchten. Wir wissen da ja auch, was die Werkstatt macht, wenn man Vollkasko versichert ist, oder?

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Donnerstag, 22.10.2009, 18:59 (vor 5322 Tagen) @ Mindflash

Im Basistarif selbst steckt wenig bis sehr wenig, das Wirtschaftlichkeitsprinzip wird endlich umgesetzt und profitieren werden folgende Gruppen:

1. alle Versicherten, weil sie weniger einzahlen
2. die Arbeitgeber, weil die Sozialabgaben drastisch gesenkt werden und die Wirtschaft international wettbewerbsfähiger gemacht werden kann
3. die GKV, weil sie von viel Verwaltungsballast frei gemacht wird, der im Zusammenhang mit der heute noch aufgeplusterten Leistungspalette die Kernaufgabe behindert
4. die Privaten, die zu bundesweiten Zusatztarifversicherern werden und ähnlich wie in den Niederlanden, Belgien, Frankreich oder Großbritanien massiv Ergänzungsgeschäft einfahren, weil der letzte kapiert hat, daß Kasse Basisschutz bedeutet und nicht wie heute die einen in die GKV teuer einzahlen müssen und die Besserverdienenden sich in der PKV aus dem Staub machen können - bleibt die Gegenfrage wer verliert?

a) sicher all diejenigen, welche sich nur kurzfristig über kleine Beiträge freuen und parallel zur Rentensituation nicht vorsorgen nach dem Motto "Haftpflicht reicht mir!"
b) grob gesagt all jene Privatversicherer und gesetzlichen Kassen, die nicht fähig sind schnell auf die neuen Marktsituation umzustellen (Kooperationen mit allen Leistungserbringern, gemeinsame Vertriebswege PKV u. GKV, neue Tarifwelten in beiden Systemen usw.)
c) einige zehntausend Mitarbeiter in der GKV

Es lohnt sich wirklich den Text vom niederländischen Gesundheitsministerium in german / deutsch auf der Seite http://www.minvws.nl/en/folders/z/2006/the-new-health-insurance-system-in-three-languages.asp zu lesen oder besser Gespräche mit unseren Nachbarn vielleicht am Wochenende in Arnheim, Limburg oder Enschede zu führen. Da ich gelegentlich mit Kollegen aus NL zu tun habe, kenne ich deren Furcht vor dem Wechsel in 2006, denn man kannte wie bei uns nur das duale System GKV und PKV, erwartete drastische Umsatzeinbrüche, aber genau das Gegenteil war der Fall .. dies nur am Rande für mitlesende hiesige Kollegen.

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

GKVler, Donnerstag, 22.10.2009, 21:53 (vor 5322 Tagen) @ Joachim Röhl

Erinnern wir uns an die Vollkaskoversicherung beim Auto und seinen wir doch endlich mal so ehrlich zu sagen, daß heute in der Bundesrepublik viele eine Spitzenmedizin zum Basispreis oder fast gegen null wollen.

ich weiß nicht, ob es dir schon mal aufgefallen ist: es gibt durchaus Unterschiede zwischen Menschen und Autos:
ein Auto -so lieb es mir auch sein mag- ist letztendlich nur Blech und lässt sich immer reparieren - es kann nur sein, dass die Reparaturkosten höher sind als der Wert und dann stellt sich die Frage: was ist mein Auto mir wert? bei Autos lässt sich diese Frage problemlos auf Euro und Cent genau ausrechnen...
bei Menschen ist es etwas anders...

und es gibt noch eine Besonderheit in der Krankenversicherung: [f]die höchsten individuellen Kosten entstehen in den letzten 5 Lebensjahren[/f]. Außerdem erhöhen sich die Kosten mit dem Lebensalter. So fallen bei einem durchschnittlichen 78jährigen Mann die 12fachen (!!) Kosten an, die bei einem 28jährigen Mann entstehen.

die private Krankenversicherung würde dieses Problem nun so lösen, dass sie von dem 78jährigen Beiträge verlangt, die 12x so hoch sind wie die Beiträge des 28jährigen und macht das ja teilweise schon.

dies ist allerdings nach meiner Meinung keine befriedigende Lösung, da im Alter und mit zunehmenden Erkrankungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der meisten Leute nachlässt.

Die umlagefinanzierte gesetzliche Krankenversicherung verlangt Beiträge, die der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechen - eine wesentlich gerechtere Lösung.

Gruß GKVler


Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Freitag, 23.10.2009, 13:40 (vor 5321 Tagen) @ GKVler

Die Umlagefinanzierung, entworfen noch zu Kaisers Zeiten, als eine Familie mindestens fünf Kinder hatte und Großeltern mit durchschnittlich siebzig Jahren ablebten, hat endlich ausgedient. 126 Jahre war sie anfangs eine wirkliche Sozialtat, um die rumorenden Sozialdemokraten mit der gesetzlichen Krankenversicherung ruhig zu stellen. Aber spätestens 1990, als die DDR weggefegt war und somit auch der übermässige soziale Wildwuchs nicht mehr erforderlich wurde und noch dazu die Alterspyramide zum Pilz mutierte, hätte man noch zu Helmut Kohls Zeiten einen Umbau wagen können. Frischer Wind weht nun endlich in Berlin und so wie es scheint, will man die GKV endlich zukunftssicher machen, wobei man erstaunlich viel bei Frau Antje aus Holland abgeschrieben hat.

Zitat! "künftig soll ein einkommensunabhängiger Beitrag geschaffen werden, der für Geringverdiener sozial ausgeglichen werden soll. Der Beitrag für die Arbeitgeber soll hingegen bei steigenden Gesundheitskosten nicht mehr erhöht werden."
Quelle: http://www.n-tv.de/politik/System-wird-gerechter-article560002.html

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Lord, Freitag, 23.10.2009, 14:08 (vor 5321 Tagen) @ Joachim Röhl

Ich finde, dass es wieder ein falscher Weg ist um Krankenversicherung zu reformieren.

Besser wäre es, wenn man KVs abschafft, Krankenkassen reduziert und eine neue Gebührenordnung schafft. Alle müssen dann gesetzlich versichert sein. Ärzte rechnen direkt mit dem Patienten ab. Krankenkassen müssen auch für alle Medikamente und Hilfsmittel Ausschreibungen machen.

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Montag, 26.10.2009, 09:29 (vor 5318 Tagen) @ Lord

Auf jeden Fall ist ein gewaltiger Umbau angekündigt und sicher gut auch, daß mit Philipp Rösler als 36jährigem Gesundheitsminister endlich mal einer auf den Platz kommt, der als Facharzt für Gefäßchirurgie etwas mehr Themenkennung aufzuweisen hat. Zudem ist er selbst auch Beweis für mögliche Integration von nicht in der Bunderepublik geborenen Bundesbürgern, die als äußerst fleißig geltenden vietnamesischen Landsleute begrüßen ihn ganz besonders. Was aber fernab von ihm oder Ulla sowieso Sache ist und leider von Bewahrern und Realitätsverweigerern gern verschwiegen wird, ist die Tatsache, daß das gesetzliche Krankenversicherungssystem so einfach nicht mehr weiter zu fahren ist. Der alte Wagen GKV hatte zuletzt kein Öl mehr, Benzin ging zur Neige, Reifen abgefahren und der Motor flog gleich in die Luft usw.
Ob die Kopfprämie nun wie in NL mit 87,50€ oder avisierten rund 160€ monatlich kommt, sind die Dinge eines politischen Feinschnitts ab 2011. Vergleichbar zur PKV werden die Versicherten aber auch lernen müssen, daß es eine große Verantwortlichkeit für die eigene Gesundheit gibt, die bei einem selbst anfängt und man dann auch frei wählen kann, wie komfortabel man die Behandlungen möchte und welchen Preis man ausgeben will. Nur die Schwachen und zur Selbsthilfe nicht Fähigen werden in vermutlich zwei Jahren noch die Solidarität der Gemeinschaft erhalten und bis dahin sind sicher viele Diskussionen und auch Demonstrationen zu erwarten.
Aber auch die jetzt so jubelnde PKV soll sich nicht zu früh freuen, denn auch sie wird gewaltig umgebaut und in spe nur noch im bienchenfleißigen Zusatzgeschäft tätig sein.
Wer hat gut Lachen? Erstens die, welche heute schon GKV und gute Zusatzversicherungen haben bzw. zweitens die anderen, welche Jahre in einer PKV versichert sind und reichlich Alterungsrückstellungen besitzen. Denn die Besitzstandswahrung gilt nach Grundgesetz uneingeschränkt und aufgebaute Alterungsrückstellungen werden mit der Reform in Zusatzversicherungen verlustneutral übertragen. Man stelle sich den Prozess so vor, wie wenn heute ein Privatversicherter plötzlich pflichtig wird, seine PKV in komfortable Zusatzversicherung umstellt.
Wer gehört zu den Verlierern? Das entscheidet in Zukunft jeder selbst, denn der Grundbeitrag wird drastisch gesenkt, die Bedürftigen erhalten Zuschüsse und nur die Nichtzusatzversicherten sprich Versicherungsverweigerer haben im Leistungsfall das Nachsehen mit sicherlich hohen Kosten. Fragen? ePost

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Bodi, Montag, 26.10.2009, 10:57 (vor 5318 Tagen) @ Joachim Röhl

Dass unter einer CDU/FDP-Regierung die PKV als Vollversicherung abgeschafft wird, ist nahezu ausgeschlossen.
Auch verfassungsrechtlich kann der Gesetzgeber der PKV nicht einfach das (Neu-)Geschäft verbieten.

Eine Kopie der niederländischen Modells wird m.E. in Deutschland nicht kommen - eher wird am bestehenden System weiter rumgedoktert (d.h. Leistungseinschränkungen und weiterhin hohe Steuerzuschüsse), wenn auch nur mit der Aussicht auf kurzfristige Besserung.

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Montag, 26.10.2009, 11:38 (vor 5318 Tagen) @ Bodi

Das Interessante an NL ist, daß die und Deutschland bis 2006 die einzigen zwei Länder in der EU waren, wo PKV und GKV separat nebeneinander existierten. "Die Abschaffung der PKV ist unmöglich!" schimpften meine Kollegen in Antwerpen und das ganze bla bla bla, aber privat wurde da komplett auf Zusatztarife umgestellt und somit hat jeder Versicherte seine Alterungsrückstellungen behalten. Klagen keine. Zahlt dann die mehr oder weniger symbolischen Grundbeiträge von 87,50€ monatlich in die dortige GKV (Basisversicherung) und hat aber weiterhin seine private Leistungspalette. Abschaffen nominell ja, aber faktisch nicht.
Warum soll die Bundesregierung nicht ähnliche Schritte gehen können, das EU-Recht machte es auch in NL möglich und heute ist man dort überwiegend zufrieden mit der Kostensenkung. Unmut gibts nur bei denen, die sich die alten Zeit mit fast Vollkasko beim Doktor und im Krankenhaus zurück wünschen oder jetzt hart gesagt teils schon fast zahnlos rumlaufen, weil auch die komplette Zahnbehandlung ab 18 Jahren Privatsache ist.

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Montag, 26.10.2009, 12:24 (vor 5318 Tagen) @ Joachim Röhl

Im belgischen Antwerpen ist das ja schon vor knapp zehn Jahren umgestellt worden, da zahlt man für die medizinische Grundversorgung nur 8,33€ monatlich http://www.aok-bv.de/politik/europa/index_01345.html meinte Amsterdam ..

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Lord, Montag, 26.10.2009, 14:42 (vor 5318 Tagen) @ Joachim Röhl

Fehlende Zahnversorgung ist aber sehr schlecht. Wir haben ja schon eine Basisversorgung bei Zahnbehandlungen.

Es gibt aber auch schlechte Beispiele für Basisversicherung. z.B. Russland. Da die Basisversicherung zu wenig bezahlt möchte kein Arzt damit was zu tun haben. Man muss halt alles selbst zahlen oder schließt Vollversicherung bei PKV ab. In den Polikliniken kriegt man dann nur Notversorgung, damit man halt nicht stirbt.

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Bodi, Montag, 26.10.2009, 15:16 (vor 5318 Tagen) @ Lord

Von einer Basisversorgung ist Deutschland noch weit entfernt. Zahnfüllungen aus Amalgam, Zement oder Composites im Frontbereich und. Parodontitisbehandlungen z.B. werden noch voll bezahlt (von den symbolischen 10 EUR Praxisgebühr mal abgesehen).

Zahnärztliche Leistungen weitgehend aus dem Leistungskatalog herauszunehmen ist vertretbar.
Ein Großteil der Zahnschäden ist selbst verschuldet (hoher Zuckerkonsum, mangelnde Mundhygiene).
Auch die Schweiz z.B. hat solche vermeidbaren Schäden aus dem Leistungskatalog herausgenommen. Mit dem Ergebnis, dass die Zahngesundheit insgesamt sogar besser geworden ist, weil die meisten Bürger viel mehr auf die richtige Zahnpflege achten - denn sonst geht es ihnen an das eigene Portemonaie.- und Zahnärzte sind in der Schweiz sehr teuer.

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Montag, 26.10.2009, 15:46 (vor 5318 Tagen) @ Lord

Basisversorgung Zahnarzt ist richtig, aber auch die muß wohl noch weiter gesenkt bzw. sowohl Behandlung als auch Ersatz komplett gestrichen = privatisiert werden. Hatte die CDU vor 12 Jahren schon mal durchgesetzt, daß ab 18 Schluß ist und was war passiert? Massenweise haben die verantwortungsbeußten Eltern für ihre Kinder den Zahnersatz, nur um den gings ja, zusätzlich für 2€ bis 3€ versichert. Dann kam die SPD und hat alles wieder zurück gedreht! Die Kosten sind aber weiter gestiegen und der Kostendruck ist noch größer geworden ..
Es muß also wirklich alles auf den Prüfstand und die Geschichten wie die Zähne sind nur der Anfang. Später wird man sich auch über die Familienversicherung oder Haushaltshilfen für nicht Bedürftige aber auch prophylaktische Kurleistungen usw. unterhalten müssen.
Am Beispiel der über Wahltarife in der GKV jetzt frei wählbaren Selbstbeteiligung oder der Beitragsrückerstattung bei Leistungsfreiheit sieht aber, daß es doch vernünftig gehen kann. Der wahre Grund, warum viele Kassenmitarbeiter oftmals das Ganze a priori abtun und auf eine "barbarische Entsolidarisierung" verweisen, ist deren verständliche Angst um den eigenen Arbeitsplatz. Aber auch an diesem Kostenpunkt wird die Reform nicht vorbei gehen können ..

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Lord, Montag, 26.10.2009, 21:40 (vor 5318 Tagen) @ Joachim Röhl

@Bodi
Sehe ich nicht so. Parodontitisbehandlungen werden nur bezahlt wenn ein PSI-Code von 3 oder 4 oder eine Sondiertiefe von 3,5 mm und mehr festgestellt worden ist. PSI-Code wird dabei nur alle zwei Jahre erhoben. In dem Sinne zahlt die Krankenkasse nur dann wenn die Zähne schon fast rausfallen. Auch die Füllungen sind das Günstigste was es nur auf dem Markt gibt. Wurzelbehandlung wird bei manchen Zähnen gar nicht mehr durchgeführt und wenn dann wird nur das Nötigste gemacht.
Wo man sparen könnte ist Zahnersatz. Ich verstehe nicht, wieso Menschen, die noch nie bei einem Zahnarzt waren 50 % des Festzuschusses bekommen. War man letzte Jahre nicht bei der Vorsorge, dann kriegt man auch nichts. 65 % nach zehn Jahren lückenloser Vorsorge finde ich dagegen in Ordnung.

Zahnbehandlung muss wie ich finde Kassenleistung bleiben. Nichtbehandelter Parodontitis kann z.B. zu anderen Erkrankungen bis Organschädigung führen. Dann muss Kasse für teuere Behandlungen im Krankenhaus aufkommen. Man kann z.B. Übernahme der Kosten für Zahnbehandlungen und Zahnersatz an Vorsorgeuntersuchungen knüpfen.

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Lord, Montag, 26.10.2009, 21:49 (vor 5318 Tagen) @ Joachim Röhl

@Herr Röhl
Die meisten Zahnzusatztarife setzen kassenärztliche Versorgung oder bzw. und GKV Leistungen voraus. Was würde eigentlich mit diesen Tarifen passieren, wenn Kassen dafür nichts mehr zahlen? Dann gibt es ja auch keine Kassenzahnärzte mehr.

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Montag, 26.10.2009, 22:50 (vor 5318 Tagen) @ Lord

Die Zahnärzte würden sich freuen, wenn alle als Private kommen könnten. Die Leute haben ja heute schon verstanden, daß man nur wenig beim Zahnarzt bekommt und dann entscheiden muß wieviel man bereit ist auszugeben und was man dann dafür mit sich rumträgt. Der eine hat ein breites Lachen, der andere krampft den Mund zu und verdeckt die Lücken und schwarz-silberne Füllungen. Die Patienten haben inzwischen auch geschnallt, daß es die kostenlose quecksilberbelastete Amalgamfüllung "auf Kasse" gibt und keiner bildet sich ein ein Zerec-II Inlay oder ein Titanimplantat für lau in den Mund zu bekommen. Die Versicherer werden neue Tarife auf den Markt bringen und wer klug ist holt sich schon bald die Zahnzusatzversicherung, welche auch ohne Vorleistung der GKV erstattet. Das gibts schon heute, kostet aber Geld und ist mit der Kostenerstattung bei der GKV gewählt so gut, daß sogar ohne Vorleistung bis zu 60% der teuren Privatrechnung gezahlt werden. Mit Kassenleistung gehts hoch bis auf 85% Fragen? ePost

Re: Kapitalgedeckte Versicherung

Lord, Dienstag, 27.10.2009, 21:08 (vor 5317 Tagen) @ Joachim Röhl

Ich denke nicht, dass GKV bald nichts mehr für Zahnbehandlungen und Zahnersatz zahlen werden.

Kostenerstattungstarife für Zahnersatz/Zahnbehandlungen sind momentan nicht so atraktiv. Leistungen sind begrenzt und die Preise sehr hoch.

Es wird nicht wirklich viel passieren. Vielleicht wird der Zugang zu Fachärzten ohne Überweisung eingeschränkt. Ambulante Leistungsmöglichkeiten der Krankenhäuser werden vielleicht eingeschränkt. Man wird Arzneimittelpreise überprüfen. Mehr wird nicht passieren.

Re: Kapitalgedeckte Versicherung - die Kosten

Dieter Reiber, IbF-Institut @, Freitag, 02.04.2010, 08:59 (vor 5160 Tagen) @ GKVler

Sehr schön wie Sie (GKVler) aufzeigen, dass ein 78-Jähriger mehr kostet als ein 28-Jähriger. Ich gehe davon aus, dass das stimmt. Aber auch hier gibt es in alle Richtungen Ausnahmen: Gesunde Alte und kranke Junge.

Daher müsste ja gerade das Ziel der Kassen sein: Präventiv-Medizin erspart > 66% der herkömmlichen Klinik-Medizin, weil verschleppte Krankheiten eben in der Klinik zur prekären Operation mit allen Folgen führt, ja bis zum Tod oder vorzeitiger Invalidierung. Das alles ist zwar nachvollziehbar, und viel besser zu gestalten, jedoch wer hat das Sagen (Politik, Kassen, Pharma, Ärzte-Verbände) und eben nicht die Beitragszahler.

So entartet wie das GKV-Kassensystem aber auch das PKV-System ist, gibt es keine Kontrolle und daher auch keine Motivation zu besserer Leistung. Kein Wunder also, wenn Firmen unter der Last pleite gehen:
1) weil die KV und Sozial-Beiträge zu hoch sind und
2) weil Firmen durch das GKV-Kassensystem gesunde Mitarbeiter vorenthalten werden.

Gesundheitsminister Rösler hat also eine große Verantwortung zur Besserung durch richtige und notwendige Einschränkung der Profiteure und Motivation aller Beteiligten.
D. Reiber, IbF-Institut; Technik- und Technikfolgenforschung

Re: Kapitalgedeckte Versicherung - die Kosten

GKVler, Freitag, 02.04.2010, 12:01 (vor 5160 Tagen) @ Dieter Reiber, IbF-Institut

Sehr schön wie Sie (GKVler) aufzeigen, dass ein 78-Jähriger mehr kostet als ein 28-Jähriger. Ich gehe davon aus, dass das stimmt. Aber auch hier gibt es in alle Richtungen Ausnahmen: Gesunde Alte und kranke Junge.


Ausnahmen wird es immer geben
aber eines ist sicher: am End werden wir alle sterben. und gesund sterben die wenigsten von uns.

Daher müsste ja gerade das Ziel der Kassen sein: Präventiv-Medizin erspart > 66% der herkömmlichen Klinik-Medizin, weil verschleppte Krankheiten eben in der Klinik zur prekären Operation mit allen Folgen führt, ja bis zum Tod oder vorzeitiger Invalidierung.

das mag richtig sein. allerdings kann man längst nicht allen Krankheiten vorbeugen. Und ein gesunder Lebensstil ist eine wesentlich bessere Vorbeugung als medizinische Massnahmen. Dazu bedarf es allerdings der entsprechenden Aufklärung. Interessant in diesem Zusammenhang: der Einfluss von Bildung auf Gesundheit ist wesentlich höher als die medizinische Versorgung, da man viele Krankheiten nicht mehr heilen kann wenn sie einmal da sind.

So entartet wie das GKV-Kassensystem aber auch das PKV-System ist, gibt es keine Kontrolle und daher auch keine Motivation zu besserer Leistung. Kein Wunder also, wenn Firmen unter der Last pleite gehen:

1) weil die KV und Sozial-Beiträge zu hoch sind und
2) weil Firmen durch das GKV-Kassensystem gesunde Mitarbeiter vorenthalten werden.

diese Aussagen halte ich für puren Populismus. Die Firmen gehen nicht pleite, weil die Sozialausgaben hier zu hoch sind, sondern weil sie es nicht schaffen, am Markt zu bestehen.
Und wie kommen Sie auf die Idee, dass den Firmen durch die Krankenkassen gesunde Mitarbeiter vorenthalten werden??????

Gruß GKVler

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