Re: Explosion der Sozialkassen - Keule? (Sozialpolitik)

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Sonntag, 11.10.2009, 13:32 (vor 5310 Tagen) @ Czauderna

Anonym Informationen zu geben, die manchem Mitleser die Augen öffnen, finde ich schon in Ordnung, denn dies ist der Sinn des Forum. Aber zum Thema, Spiegelleser wissen bekanntlich mehr heißts und wer sich die aktuelle online Ausgabe mal auf der Zunge zergehen läßt http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,druck-653784,00.html begreift, warum wir uns seit Jahren immer nur im Kreis drehen und der Kampf gegen die finanzkräftige Lobby von Pharma, Ärtzeverbänden, Krankenhäusern und Apotheken in einem marktwirtschaftlichem System erfolglos ist. Es scheint wie der Versuch eines Blinden mit salzigem Meerwasser seinen Durst zu stillen ..
Wer immer noch glauben mag, daß die einkommensabhängigen umlagefinanzierten Beiträge
der gesetzlichen Krankenversicherung die soziale Dauerlösung sind, ist im 21. Jahrhundert noch nicht angekommen. Wenn heute 40% und in wenigen Jahren über die Hälfte der Bevölkerung von Transferleistungen* wie Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Sozialgeld und HIV leben, kann das erforderliche Beitragsaufkommen für die gesetzliche Krankenversicherung nicht erbracht werden. Einen Goldesel kennen wir nur von den Gebrüdern Grimm. Was bleibt sind kurzfristige Lösungen die Zusatzbeiträge für alle Versicherten zu erhöhen - bringt aber mittelfristig nichts. Die Beitragsbemessungsgrenze auf Rentenversicherungsniveau anzuheben wäre theoretisch sinnvoll - würde aber zum weiteren Abwandern der dann betroffenen Gutverdiener in die PKV führen. Und schmerzlich rollt gerade seit Anfang Oktober die erste Kündigungswelle der bislang drei Jahre Zwangsversicherten auf die Kassen zu, war doch seit 2007 vielen freiwillig versicherten Angestellten der sofortige Weg in die PKV verbaut worden. Was hat auch das gebracht - eine rein zeitliche Schuldenverschiebung.
Das man auch die PKV mit Vorsicht geniessen muß und sehr sorgfältig entscheiden soll was man versichert und was man gegebenenfalls selbst tragen möchte, spricht dennoch für die individuellen Wahlfreiheiten des anderen kapitalgetragenden Systems. Wer nur auf billig und die PKV ab 59€ sieht, muss dann auch gleich einer bundesweiten Bahnfahrt ab 29€ bereit sein Einbußen hinzunehmen. Die Privattarife in 2009 fordern zumindestens in der preiswerten Klasse einen Gang zuerst zum Hausarzt "Primärarztprinzip", Kappungen beim Zahnersatz in den ersten Versicherungsjahren "Zahnstaffeln" und kennen u.a. keine kostenlose Familienversicherung und fordern den selbstverantwortlichen Versicherten auch mit der Bereitschaft zu Selbstbeteiligungen und der eigenen Vorsorge für eine Beitragssenkung im Alter. Das ist sicher ein unsolidarisches und zutiefst egoistisches Versicherungssystem, welches aber bis heute für über acht Millionen Deutsche an Faszination nicht verloren hat und im Gegensatz zum Kassensystem kein "sozialverträgliches Frühableben" provoziert, denn die Privatversicherten leben im Bundesdurchschnitt sogar ca. acht Jahre länger. Fragen? ePost
*http://www.welt.de/politik/deutschland/article4128087/Der-deutsche-Sozialstaat-geraet-aus-den-Fugen.html


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