Re: 1.000+1.000=1.000.000.000? (Sozialpolitik)

Umverteiler, Mittwoch, 06.10.2004, 20:21 (vor 7155 Tagen) @ Streetworkerin Klein-Erna

Na endlich, es meldet sich doch noch ein Sozialromantiker auf meine Provokationen !

Auf die entsprechenden klassenkämpferischen Sprüche musste man in diesem Forum wirklich lange vergeblich warten, endlich haben Sie"s den Bonzen mal wieder richtig gezeigt, bravo !

Vielleicht nehmen Sie einmal zur Kenntnis, dass sich trotz der Einkommensunterschiede in Deutschland die Schere zwischen Reich und Arm nicht weiter geöffnet hat. Das eher linkslastige DIW sagt hierzu :

Sozialstaat: Verteilter Wohlstand
Wo leben wir eigentlich? Sieht so wirklich die traurige Realität in Deutschland aus? "Die sozialen Grenzen verlaufen nicht zwischen Ost und West, sondern zwischen Oben und Unten", behauptet der Kölner Soziologe Christoph Butterwegge. Ständig weite sich "jener Sektor aus, in dem totale Perspektivlosigkeit, Not und Verelendung die Lebenslagen bestimmen".
Sein Befund trifft den Nerv vieler Politiker und Gewerkschafter. "Wir drängen die Menschen in einen Suppenküchen-Sozialstaat ab", klagt DGB-Gewerkschaftschef Michael Sommer. Aus Verunsicherung ziehen Zehntausende auf die Straße - Hartz IV dient als willkommener Katalysator.
Aber verarmen große Teile der Bevölkerung tatsächlich? Geraten immer mehr Menschen auf eine Rutschbahn nach unten, während eine kleine Schicht ganz oben immer reicher wird? Die These von einer dramatisch wachsenden Ungleichheit im Lande ist in diesen Tagen populär - aber mit der Realität zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen hat sie nur wenig zu tun.
Für Capital analysierte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Einkommen der Bundesbürger im Zeitverlauf. Das überraschende Resultat: In der Substanz ist keine dramatische Verschiebung im Wohlstandsgefälle festzustellen, auch wenn es an den Rändern kleine Spreizungen gibt.
Die Ergebnisse der Studie widerlegen einen vielfach bekundeten Pessimismus. "Über einen längeren Zeitraum betrachtet, relativiert sich so manche kurzfristige Verschiebung in der Einkommensverteilung", bilanziert DIW-Experte Peter Krause. Die Untersuchung zeigt auch: Deutschland erfüllt für den größten Teil der Bürger unverändert das Wohlstandsversprechen. Die Republik bleibt eine durchlässige Gesellschaft, die für politische Stabilität wichtige Mittelschicht leide nicht an Auszehrung, heißt es beim DIW.
Und auch die Heftigkeit der von Bundespräsident Horst Köhler ausgelösten Debatte um gleiche Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland sei angesichts der Daten übertrieben: Bei den unteren 30 Prozent der Bevölkerung liegt der Einkommensunterschied zwischen Ost und West nur bei 64 Euro im Monat.
Die Ergebnisse der Studie sind von hoher Verlässlichkeit: Die Basisdaten stammen aus dem "Sozioökonomischen Panel" des DIW, einer repräsentativen Querschnittanalyse von 11150 Haushalten. Der Untersuchungszeitraum von 1995 bis 2003 beschreibt den Verlauf in Deutschland ohne die Sondereinflüsse der Rekordjahre direkt nach der Wiedervereinigung. Fazit: Die Einkommen haben sich weitaus gleichförmiger entwickelt, als es die öffentliche Diskussion widerspiegelt.
Zweifellos büßten die untersten 20 Prozent der Einkommensskala, also rund 16 Millionen Menschen, in den vergangenen drei Jahren Kaufkraft ein. Die anhaltende Konjunkturflaute und die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt hinterließen ihre Spuren. Aber über die acht Jahre hinweg gerechnet, partizipierte diese Gruppe sehr wohl am gestiegenen Wohlstand. Ihr Monatseinkommen ist seit 1995 real um zehn Prozent gestiegen.
Auch die Kluft zwischen Armen und Reichen hat sich laut DIW nur marginal verschoben. Die Einkommensverteilung blieb über die neun Jahre weitgehend konstant: Das reichste Zehntel hatte siebenmal so viel Geld wie das ärmste Zehntel. Und knapp die Hälfte aller Personen, die 1995 noch der unteren Einkommensschicht angehörte, hat sich nach acht Jahren hochgearbeitet.
"Die Chancengesellschaft ist keine Schimäre", sagt DIW-Forscher Krause. Und Reiner Braun vom Berliner Forschungsinstitut Empirica ergänzt: "Einmal arm ist nicht immer arm. Die meisten Bürger schaffen es, den Traum vom besseren Leben zu realisieren." Immerhin zwei Drittel aller Haushalte haben im Alter nach einer Empirica-Studie Wohneigentum erworben.

Woran liegt das wohl, dass die Schere nicht weiter aufgegangen ist, obwohl sie nach Ihren richtigen Berechnungen viel weiter hätte aufgehen müssen. Es ist die Umverteilung von Oben nach Unten über die Sozialversicherungssysteme und die konfiskatorische Steuerprogression. Mit Sicherheit gehören Sie zu denen, die den Parolen der Umverteilungstheoretiker und "Sozial Gerechten" bei Gewerkschaften/Grünen/SPD und CSU glauben, wenn sie stets das Gegenteil behaupten. Bloss - wie sollte man dauerhaft von Unten nach Oben verteilen, wenn auch nach Ihrer Meinung unten gar nichts zu holen ist. Das ist doch ein Widerspruch in sich - oder nicht ?

Oder meinen Sie vielleicht, die Umverteilung von Unten nach Oben findet allein dadurch statt, dass die staatlichen Leistungen, die denen da Unten von alters her zustehen, wo man Anspruch drauf hat und an die sich jeder längst gewöhnt hat, plötzlich zurückgefahren werden, wodurch die da Oben nicht mehr so viel an Steuern und Sozialversicherungsabgaben abführen müssen.

Vielleicht nehmen Sie zur Kenntnis, dass Deutschland eine gigantische Umverteilungsbürokratie ist, und zwar von Oben (denen man nehmen kann) nach Unten (die sich an die Fürsorge des Staates gewöhnt haben und bei Liebesentzug sofort auf die Barrikaden gehen und demonstrieren):

Jeder vierte Euro vom Staat
Der Anteil staatlicher Leistungen am Einkommen deutscher Privathaushalte ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Im ersten Halbjahr 2003 sei jeder vierte Euro des Bruttoeinkommens vom Staat gezahlt worden, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Im Durchschnitt habe jeder Haushalt monatlich 887 Euro brutto vom Staat erhalten und damit 16 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 1998.
Dabei handelt es sich um Leistungen wie Renten oder Zahlungen von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe. In den neuen Ländern und Berlin-Ost stammte sogar jeder dritte Euro aus der Staatskasse. Auf Einkünfte aus Erwerbstätigkeit entfielen rund 2000 Euro beziehungsweise 58 Prozent des Bruttoeinkommens.
Der Anstieg der öffentlichen Transferleistungen sei maßgeblich auf die zunehmende Zahl von Rentnern und Pensionären sowie die mehrmalige Anhebung des Kindergeldes für das erste und zweite Kind zurückzuführen.
Insgesamt hatte ein Privathaushalt im ersten Halbjahr vergangenen Jahres im Monatsschnitt Einnahmen von 3454 Euro brutto zur Verfügung. Nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben verfügten die Privathaushalte im Durchschnitt noch über ein Nettoeinkommen von 2771 Euro monatlich, erklärten die Statistiker weiter. Für den Konsum gaben die Haushalte demnach durchschnittlich 2126 Euro im Monat aus. In Ostdeutschland wurden dafür rund 400 Euro weniger aufgewendet als in Westdeutschland. Die Wohnkosten erreichten im Schnitt 691 Euro im Monat und zehrten damit fast ein Drittel des gesamten Konsumbudgets auf.

Für Sie ist ein Krankenversicherungssystem erst dann sozial gerecht, wenn es zum Krankensteuersystem wird, d.h. jeder zahlt nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten ohne Bemessungsgrenze einen Prozentsatz aller seiner Einkünfte und bezieht aus dem Krankensteuersystem standardisierte Mindestleistungen, die nicht einmal einem Bruchteil seines Versichertenbeitrages entsprechen.

Wie hier im Forum schon wunderbar dargestellt, handelt es sich hierbei um ein zusätzliches Steuersystem, das mit individuell abzusichernden Gesundheitsrisiken aber auch gar nichts mehr gemeinsam hat. Dann könnte man das Krankensteuersystem ja gleich über einen Steueraufschlag finanzieren, z.B. pauschal 5% Kranken-Soli auf die jetzigen Einkommensteuersätze drauf. Man könnte sich dann die ungeliebte Kopfpauschale sparen, die soviel Bürokratie erfordert. Jetzt ist der Staat für die Gesundheit der Bevölkerung verantwortlich und erhält dafür 5% Steueraufschlag. Das Ganze muß für Sie einen gewissen Charme haben, denn haben Sie bedacht, dass der Reiche dann zukünftig nicht nur linear zur Krankensteuer veranlagt wird, sondern sozial fortschrittlich in progressiver Manier, d.h. mittels Steuerprogression.

Endlich kommen wir Ihrem insgeheimen Wunschtraum nahe, der himmlischen Vollendung sozialer Gerechtigkeit auf Erden in Form sozialistischer Gleichheit (oder besser Gleichmacherei). Jeder hat am Monatsende das gleiche Geld in der Tasche. Der Reiche drückt bis zu 90% seiner Einkünfte an Steuern und Sozialversicherungssteuern ab, der Arme empfängt entsprechende Transferzahlungen des Staates, bis jeder netto das gleiche verfügbare Einkommen hat.

Ich denke nicht, dass Sie dann noch irgendeinen der "Zeitgenossen in diesem Land finden, die nach Arroganz, Selbstherrlichkeit und Havanna-Zigarren für 500 Euro pro Stück duften". Ihre Feindbilder haben sich zuvor längst als Steuerflüchtlinge a la Michael Schumacher abgesetzt, die Welt ist groß und nicht auf das bornierte, sozial gerechte Deutschland beschränkt. Vielleicht müssen Sie dann Verantwortung übernehmen, nicht nur für Ihre klassenkämpferischen Beiträge, sondern auch für Ihre eigene wirtschaftliche Existenz, denn die leistungsfähigen Macher und Tüftler, die unseren einzigen Rohstoff, das "Brain", darstellen, sind dann nicht mehr da, um Sie zu ernähren (daher der Name Brain-Drain). Seien Sie bloss nicht so überheblich zu glauben, z.B. die Inder oder Chinesen wären im Durchschnitt nicht so clever wie wir Deutschen. Andere zu unterschätzen ist der grösste Fehler, den man begehen kann.


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