Re: Neee, so einfach ist das alles nicht (Sozialpolitik)

Umverteiler, Montag, 11.10.2004, 21:06 (vor 7150 Tagen) @ Chris

@ Chris

Ich warte auf Deine konkreten Vorschläge ! Mit "Nee - so einfach ist das alles nicht" kommen wir keinen Schritt weiter. Eigenes Nachdenken tut not ! Oder sollen wir "Wirtschaft und Soziales" den Politikern überlassen, die alle Laien sind, so wie die Öcher Sonderschullehrerin und Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Die Gesundheitspolitiker scheinen sich ja auch nicht so kompetent zu fühlen und haben ihre vom Steuerzahler ausgehaltenen Kommissionen, darunter "Hof-"Berater bzw. Honorar-Professoren wie Heinerchen Lauterbach als rheinisch-launisches Pendant zu klein Ulla oder Bert Rürup, dem wir ja immerhin schon die Rürup-Rente verdanken, übrigens eine Totgeburt allerersten Ranges (da nicht vererbbar, nicht beleihbar, aber ab 2005 steuerbegünstigt).

Jetzt hat ja die CDU hinsichtlich toller Vorschläge zur gesetzlichen Krankenversicherung nachgelegt. Mit der "Bürgerprämie" (klingt politisch korrekter als die martialische "Kopfpauschale" und ist begrifflich wettbewerbsfähiger im Vergleich zur "Bürgerversicherung") wird jetzt ein ganz großes Faß aufgemacht, die Bürgerprämie ist effektiv noch sozial gerechter als die Bürgerversicherung. Das haben wir jetzt höchstamtlich, weil vom renommierten Wirtschaftinstitut durchgerechnet.

Der Vertreter der christlichen demokratischen Arbeiternehmerschaft (CDA), Hermann-Josef Arentz, hat in diesem Zusammenhang den "Gesundheitssoli" erfunden. Wer meine Beiträge der vergangenen Tage hier gelesen hat, wüsste, dass diese Wortschöpfung ganz wesentlich auf meinem Mist gewachsen ist. Mein Ausdruck "Kranken-Soli" in diesem Forum stammt vom 6.10., ich hätte besser den positiv besetzten Begriff "Gesundheitssoli" benutzen sollen (der Political Correctness wegen, Krankheit hat so einen schlechten Beigeschmack, dann doch lieber für die Gesundheit zahlen - oder nicht ?).

Leider kann man sich die Rechte an solchen Begriffen nicht sichern, sonst hätte ich vielleicht schon ausgesorgt und könnte locker meine Gesundheitssteuern von meinen Royalties, pardon Tantiemen, für die Erfíndung dieses Begriffs zahlen. Meine Annahme von pauschal 5% Gesundheitssolidaritätszuschlag war natürlich blaß in Anbetracht der vorgeschlagenen 11,9%. Wer bietet mehr ?

Bei der Finanzierung der Krankenversicherung im wesentlichen über die Steuer wird die Umverteilungswirkung von Oben nach Unten kräftig verstärkt, da die Steuerprogression mithilft (s. meine Beiträge in diesem Forum, die die für die Umverteilung segensreiche Steuerprogression beschreiben). Die Ökonomen sprechen von einer "Linksverschiebung" im Steuersystem, wenn der Arbeitgeberanteil am Krankenversicherungbeitrag ausgezahlt und vom Arbeitnehmer zusätzlich versteuert wird. Damit "rutscht" die Steuerkurve nach links, d.h. die hohen Steuersätze fangen schon bei niedrigeren zu versteuernden Einkommen an, die Progression fängt auch schon früher an zu wirken mit ihrer konfiskatorischen Komponente. Wenn jetzt noch pauschal ein Satz von x% für die Gesundheit auf die Einkommensteuer draufkommt, zahlt jeder mehr Steuern, die letzte Stufe der Steuerreform 2005 könnte man also gleich streichen. Für die Streichung haben wir aus Argumentationsgründen dann noch nicht einmal eine Flutkatastrophe nötig.

Die monatlichen Kopfpauschalen können dann ruhig auf ein Niveau ermäßigt werden, das jeder zahlen kann. Es gibt ja schon Vorschläge, dieses Niveau von der Höhe der durchschnittlichen Gesundheitsausgaben pro Kopf abzukoppeln und so die Umverteilungsbürokratie zu vereinfachen für diejenigen, bei denen 12,5% ihres Einkommens unter den zu zahlenden Pauschalsätzen liegt.

Warum sind wir dann nicht ganz konsequent, sparen uns die Bürokratie, die für die Bedürftigen die Umverteilung der Krankenprämien übernimmt, und machen das ganze Krankenversicherungssystem zu einem steuerfinanzierten System ? Krankensteuersystem geht nicht ("Krankheit" ist zu negativ besetzt), deshalb will ich mal wieder begriffsbildend wirken und das Ganze "Gesundheitssteuer" nennen. Wer könnte etwas dagegen haben ?

Doch, dagegen findet sich auch wieder jemand, Gudrun Schaich-Walch vom Gewerkschaftsflügel der SPD. Denn es könnte ja "Besserverdiener" geben, die dank legaler Abschreibungsmöglichkeiten viel weniger bzw. gar nichts versteuern müssen, also auch nichts zum solidarischen Gesundheitssystem beitragen, obwohl sie eigentlich die breiten Schultern haben, die zur Solidarität verpflichten. Das hat Gudrun Schaich-Walch messerscharf erkannt, womit sie der eigenen Steuerpolitik von Rot-Grün das Mißtrauen ausspricht. Es geht halt nicht, dass man mit staatlichen Steueranreizen Investitionen in politisch gewünschte Bahnen lenkt und gleichzeitig diese Steuern wieder eintreiben will.

Als Beispiel für den gewünschten Umverteilungseffekt von den Reichen zu den Armen im Gesundheitssystem (aber auch in unserer Gesellschaft) wird von unserem großen Gesundheitsökonomen Bert Rürup Jo Ackermann angeführt, seines Zeichens Boß der Deutschen Bank. Von dessen geschätzten monatlichen Einnahmen von 833.000 Euro (oder so ähnlich) werden dann ca. 43.000 Euro (jedenfalls in dieser Größenordnung) monatlich in das Krankenkassenumverteilungssystem gepumpt. Und der Mann darf dennoch weiterhin privat versichert bleiben - welche Gnade !!! Natürlich ist das Beispiel Jo Ackermann repräsentativ für die Besserverdiener oder neuerdings Vielverdiener, man will sie ja nicht politisch unkorrekt Absahner nennen. Zumindest kommt dieses Beispiel super an in unserer medialen Neid- und Umverteilungsgesellschaft (siehe das klassenkämpferische Zitat vom CDA-Arentz zum Privatpatienten: "Derjenige, der sich keinen Deut um die Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung kümmert").

Was hat im Fall Jo Ackermann der "Gesundheitssoli" dann noch mit Herrn Ackermanns Gesundheit zu tun, wo er doch privat krankenversichert bleiben darf ? Richtig - überhaupt nichts ! Der Gesundheitssoli ist eine ganz profane zusätzliche Steuer auf die normale Lohn- und Einkommensteuer, genauso wie der angeblich so zweckgebundene Ossi-Soli, pardon einfach nur Solidaritätszuschlag Ost. Wozu machen wir dann eigentlich noch Steuerreformen mit dem Ziel, international wettbewerbsfähige Steuersätze zu haben, wenn hintenrum ein Gemischtwarenladen von Zusatzsteuern, sogenannte Solis unterschiedlichster Prägung, hinzukommt.

So wie wir für die Rente tanken (höhere Mineralölsteuer, Ökosteuer genannt, geht an den Fiskus), für die Krankenversicherung rauchen (beim Rauchen wird mehr Tabaksteuer entrichtet), so zahlen wir für die eigene Gesundheit fortan Steuern. Wer gesünder ist und mehr arbeiten kann, der arbeitet solidarisch für die Gesundheit anderer.

Moralisch gesehen ist dies einwandfrei, denn warum soll ich nicht für das Glück, gesund zu sein, mehr Steuern zahlen als andere, die nicht so gesund sind. Die dem lieben Gott geschuldete Dankbarkeit für die eigene Gesundheit wird materialisiert und als Gesundheitssteuer dem Vertreter des Himmels auf Erden, also unserem Finanzminister, entrichtet.

Amen - ja so sei es !


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