Re: Kopfpauschale (Sozialpolitik)

Elgin Fischbach @, Montag, 14.06.2004, 23:40 (vor 7268 Tagen) @ ich

Es gibt genügend Sozialhilfeempfänger, die trotz vorhandenem Arbeitswillen und vorhandener Qualifikation nichts Existenzsicherndes finden: Zuvor freiberuflich tätige studierte Musiker (Orchestermusiker, Musikpädagogen etc.) und DozentInnen aus dem übrigen Bildungssektor, Behinderte (ebenfalls trotz vorhandener Berufsqualifikation), Ältere (ebenfalls beruflich qualifiziert) etc.

Viele ehemalige Freiberufler wurden in diesen sozialversicherungsrechtlich fragwürdigen Zustand hineingedrängt nach dem Motto: "Pest oder Cholera". Die Träger von Orchestern, Musikschulen und Bildungseinrichtungen sind schon seit Jahren immer weniger dazu bereit, sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen anzubieten - mit dem Ergebnis, dass die ehemaligen Freiberufler bei Arbeitslosigkeit ohne Umweg direkt auf dem kommunalen Sozialamt landen, denn sie durften als Freiberufler keine Sozialversicherungsbeiträge an die Bundesagentur für Arbeit (früher: Bundesanstalt für Arbeit) entrichten (auch nicht auf freiwilliger Basis, wie es bei der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung hingegen möglich ist). Weil berufliche Umschulungen und Weiterbildungsmaßnahmen heutzutage immer seltener bewilligt werden, hat dieser Personenkreis derzeit nur sehr eingeschränkte Alternativen.

Und die Arbeitgeber-Vorurteile gegenüber Behinderten und Älteren - unabhängig von ihrer individuellen beruflichen Qualifikation, ihren Begabungen und Fähigkeiten - kennen wir sicherlich alle.

Fazit: Längst nicht alle Sozialhilfebezieher sind Sozialschmarotzer!

Und: Der monatliche Regelsatz der Sozialhilfeempfänger ist mit 297,00 € in Westdeutschland (in Ostdeutschland etwas weniger) derart niedrig, dass er lt. Auskunft etlicher Wohlfahrtsverbände für ein menschenwürdiges Leben nicht ausreicht (siehe vorhergehenden Forumsbeitrag zum gleichen Thema von mir). Da liegst Du mit 1.100,00 € netto auch nach dem Abzug der Mietkosten noch mehr als deutlich darüber.

Wenn Du einmal mit dem monatlich verfügbaren Geld eines Sozialhilfeempfängers zurechtkommen müsstest, würdest Du derart unsolidarische Bemerkungen wie "Wichtig ist dennoch, daß auch Leute mit Sozialhilfe zahlen müssen ..." nicht mehr machen. Aber dass Solidarität für immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft zum Fremdwort verkommt und Ellenbogenmentalität zu Lasten sozial Schwacher mehrheitlich die Oberhand gewinnt, ist ja heutzutage nichts Neues mehr ...

Gruß
Elgin


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