Re: an alle Rentner (Gesetzliche Krankenkassen)

Umverteiler, (vor 7616 Tagen) @ Wusel

Hallo Wusel,

ich bin zwar kein Rentner, aber die Kaltschnäuzigkeit, mit der die Politik derzeit die Rentnergeneration abzockt oder besser abkocht, ist schon beeindruckend und vor allen Dingen äusserst konsequent auf dem Weg hin zum Einheitsrentner !

Rentenerhöhungen von mehr als 0,3 % gehören ab jetzt für immer und ewig der deutschen Vergangenheit an. Die Politik wird zwar weiter den Schein wahren und nominal mehr als 0,x Prozent Rentenerhöhungen genehmigen, doch das entspricht real, d.h. nach Abzug von ca. 2% Inflation, Rentenkürzungen von weit mehr als 1,5%. Zum 1.7.2005 kommen nochmals 0,9% Rentenkürzung hinzu durch die Zahlung von Zahnversicherung und Krankengeld. Hat man im übrigen schon mal gehört, dass ein Rentner Krankengeld bezogen hat ? Eigentlich hätte der Rentner bisher und auch in Zukunft nur den ermässigten Beitragssatz für die Krankenversicherung zahlen müssen, denn wie sollte er als Rentner Anspruch auf Lohnfortzahlung bei seiner Krankenkasse geltend machen ? Aber dies ist mit Sicherheit nur eine der vielen Abenteuerlichkeiten des gesetzlichen Krankenversicherungssystems oder besser Krankensteuersystems.

Tatsächlich finanzieren die "reichen" Rentner mit betrieblichen Zusatzrenten seit diesem Jahr mit zusätzlichen Milliardenbeträgen die gesetzlichen Krankenversicherungen, da sie den vollen Krankenversicherungsbeitrag von durchschnittlich 14,4% statt zuvor 7,2% auf Betriebsrenten entrichten müssen. Dies ist übrigens der einzige Grund, warum die gesetzlichen Krankenkassen derzeit Überschüsse ausweisen, was Ulla zu gern verschweigt.

Ich würde die politisch gewollte Abzocke "kalte Enteignung" nennen, da erworbene und schon genehmigte Rentenansprüche (schliesslich hat jeder heutige Rentner seinen Rentenbescheid in der Hand) zusammengestrichen werden: einmal durch die Inflation, die nicht mehr ausgeglichen wird (die Kaufkraft des Geldes sinkt), zum anderen durch die Krankenversicherungsbeiträge, die zukünftig zu 100% vom Rentner getragen werden müssen, weil sich der Staat aus seiner bisherigen "Arbeitgeberrolle" mit der Erstattung von 50% aller Krankenversicherungsbeiträge komplett verabschieden wird. Alles das, nachdem die Alten in jungen Jahren im Sinne des Generationenvertrags viel höhere Krankenversicherungsbeiträge eingezahlt haben, als sie an Leistungen entnommen haben. Und schliesslich werden sie auf die alten Tage, wenn sie auf die Solidarität der Versicherten-Gemeinschaft angewiesen sind, dazu verpflichtet, ihre Gesundheitsvorsorge innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung komplett selbst zu bezahlen. Dies alles natürlich mit der Begründung, dass sie ja auch momentan als Alte höhere Kosten verursachen. Was ehemals war, ist vergessen, im Moment zählt allein die finanzielle Notlage der Krankenkassen. Und wem man etwas nehmen kann, dem wird genommen. Starke Schultern zeigen sich da, wo Rentenbescheide zentral ans Finanzamt weitergeleitet werden. So etwas nenne ich unsozial !

Aber die Konsequenz in der Abzocke der Alten sowie der jetzigen Beitragszahler in die Rentenversicherung geht weiter mit dem Alterseinkünftegesetz ab dem 1.1.2005. Jetzt sollen Renten, die aus versteuertem Einkommen eingezahlt wurden, letztlich zu 100% zweitbesteuert werden. Nicht dass Renten nicht bisher auch schon besteuert wurden mit dem sogenannten Ertragsanteil, dieser lag aber bei Renteneintritt mit 65 Jahren nur bei 27% und nicht wie in 2005 bei 50%. Zweit- und Drittbesteuerung derselben Einnahmen haben eine jahrzehntelange Tradition in Deutschland.

Wie kommt es zu dieser meines Erachtens verfassungswidrigen Zweitbesteuerung ? Da sitzen eine Handvoll beamtete Richter in Karlsruhe und haben eine Verfassungsbeschwerde eines beamteten Kollegen zu entscheiden, der sich darüber aufregt, dass er seine Pension wie normale Einnahmen versteuern soll und keinen günstigeren Ertragsanteilssatz wie Angestellte erhält. Natürlich argumentiert er nicht damit, dass der Steuerzahler seine gesamte Pension finanziert und er selbst keinen einzigen Cent eigene finanzielle Leistung für seine Altersversorgung investiert hat. Übrigens haben Politiker im allgemeinen den gleichen Erfahrungshorizont wie beamtete Bundesrichter und verdrängen erfolgreich, dass auch ihre gesamte Altersvorsorge vom Steuerzahler getragen wird, wobei Ihr Eigenanteil Null ist. Wie die Entscheidung der beamteten Bundesrichter ausgefallen ist, konnte man sich denken und ist heute allgemein bekannt: Es muß eine Gleichbehandlung stattfinden, d.h. die aus versteuertem Einkommen zumindest beim Angestellten hälftig und beim Freiberufler sogar ganz eingezahlte Rente wird nachträglich bei Auszahlung noch einmal zu 100% der Steuer unterworfen. Sonst darf auch keine Steuer mehr auf Beamtenpensionen erhoben werden.

Wie hat der Staat auf dieses Urteil reagiert, dem eigentlich hiermit ins Stammbuch geschrieben wurde, dass er Beiträge für die Altersversorgung von jeher von der Steuer hätte freistellen müssen, wenn er sie zum Zeitpunkt der Rentenauszahlung überhaupt noch einmal besteuern will ? Die Rechtsprechung stellte den Staat vor die Wahl, entweder eine Gleichbehandlung bei der Besteuerung von Beamten und Angestellten im Ruhestand herbeizuführen oder ganz den Anspruch auf Besteuerung von Beamtenpensionen zu verlieren - ein gigantischer Einnahmeverlust, zumal der Steuerzahler schon die Beamtenpensionen zu 100% vorfinanziert hat und jetzt bei der Auszahlung auf Steuern hieraus verzichten soll.

Oberste Maxime bei der Lösung dieses nichtlösbaren Problems ist "Aufkommensneutralität", d.h. der Staat kann auf keinerlei Steuereinnahmen verzichten. Hierfür werden langsam die schon jetzt viel zu niedrigen steuerlichen Freibeträge angehoben, natürlich aufkommensneutral für den Fiskus. Das heisst konkret, der Arbeitgeberanteil wird vom Freibetrag sofort einmal abgezogen, obwohl ihn der Arbeitnehmer nie eingezahlt hat. Unter dem Strich bleibt nichts an steuerfreien Beträgen für die Altersvorsorge übrig.

Ich kann nur jedem raten, in der EStE 2005 Widerspruch gegen die gesetzlich vorgesehene Praxis der teilweisen Doppelbesteuerung von Alterseinkünften einzulegen und die Steuererklärung offenhalten zu lassen, bis diese Frage höchstrichterlich am Bundesfinanzhof geklärt ist.


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