Gespräch mit Thorulf Müller (Sozialpolitik)

GKVler, Donnerstag, 28.11.2013, 12:11 (vor 3800 Tagen) @ derKVProfi

wer soll den deiner Meinung nach die korrekte Therapie auswählen? ich bin nach wie vor für Therapiefreiheit - aber vor dem Hintergrund evidenzbasierter Medizin.


Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Ihnen bewußt ist, dass evidenzbasierte medizin das Gegenteil von Therapiefreiheit ist!

na, schauen wir uns doch mal an, was "evidenzbasierte Medizin" ist - laut der Definition in Wikipedia wird sie definiert als "
„gewissenhafte, ausdrückliche und umsichtige Gebrauch der aktuell besten Beweise für Entscheidungen in der Versorgung eines individuellen Patienten“.[6] EbM beruht demnach auf dem jeweiligen aktuellen Stand der klinischen Medizin auf der Grundlage klinischer Studien und medizinischer Veröffentlichungen, die einen Sachverhalt erhärten oder widerlegen – die sogenannte externe Evidenz." Weiter heißt es dort "In der klinischen Praxis der EbM bedeutet dies die Integration individueller klinischer Expertise mit der besten, verfügbaren, externen Evidenz aus systematischer Forschung; sie schließt auch die Patientenpräferenz mit ein.
EbM kann auch den Verzicht auf Therapie beinhalten, d. h. zu wissen, wann keine Therapie (anzubieten/vorzuschlagen) besser ist für den Patienten als das Anbieten/Vorschlagen einer bestimmten Therapie.[7] Ein häufig genanntes Beispiel ist Prostatakrebs bei alten Männern: Je nach Alter, Lebenserwartung und dem Entwicklungsstadium des Krebses ist oft das Nicht-Therapieren die beste Entscheidung."

und hier noch die Definition des Netzwerkes Evidenzbasierte Medizin: "Unter Evidenz-basierter Medizin ("evidence based medicine") oder evidenzbasierter Praxis ("evidence based practice") im engeren Sinne versteht man eine Vorgehensweise des medizinischen Handelns, individuelle Patienten auf der Basis der besten zur Verfügung stehenden Daten zu versorgen. Diese Technik umfasst die systematische Suche nach der relevanten Evidenz in der medizinischen Literatur für ein konkretes klinisches Problem, die kritische Beurteilung der Validität der Evidenz nach klinisch epidemiologischen Gesichtspunkten; die Bewertung der Größe des beobachteten Effekts sowie die Anwendung dieser Evidenz auf den konkreten Patienten mit Hilfe der klinischen Erfahrung und der Vorstellungen der Patienten."

ich sehe also nicht, dass sich Therapiefreiheit/freie Arztwahl und evidenzbasierte Medizin widersprechen....

Auch müsste es endlich mal Qualitäts- und Ergebniskontrollen geben, so dass es für die Versicherten/Patienten erkennbar ist, wer ein guter Arzt bzw. welches Krankenhaus gut ist, und wo man besser weg bleibt.


Das gebe ich unumwunden zu! Und da brauch der Kunde gar nicht kucken, wenn die "Versorgungseinheit" den Arzt gar nicht mehr führt, weil seine Qualität nicht ausreicht! Versorgungseinheit meint das, was ich von der heutigen GKV übrig lassen würde!

ich denke nicht, dass es sinnvoll (und möglich) ist, das gegenwärtige Gesundheitssystem völlig umzukrempeln. Vielmehr sollte man auf den vorhandenen Strukturen aufbauen und diese vielleicht auch umbauen.

Auch dürfte es nicht so sein, dass ein einmal zugelassener Arzt quasi einen Job auf Lebenszeit hat.


Das Wort "zugelassen" zeugt davon, dass Sie die heutigen KV-KZV-Strukturen erhalten wollen --- ich nicht!

ich bin kein Fan der KVen, aber sie sind nun mal Realität. Und meine Lebenserfahrung sagt mir, dass es sehr schwer ist, die Realität zu ändern.

Also: bei Therapiefreiheit und freie Arztwahl ein deutliches JA - allerdings müsste das System geändert werden, vor allem ist mehr Transparenz notwendig


Tja, man kann ja unterschuiedlicher Meinung sein - Sie sollten dennoch einmal die Begriffe "Therapiefreiheit" und "evidenzbasierte Medizin" versuchen in Einklang zu bringen und sich mit der Frage der freien Arztwahl im regionalen Bereich beschäftigen.

siehe oben - ich sehe da keinen Widerspruch.

6. Zahnersatz und Kieferorthopädie sind doch bereits privatisiert, dann kann ich das auch ganz machen.

wieso? willst du tatsächlich, dass man den Menschen an ihrem Lächeln das Einkommen ansieht?


In Norwegen erkennt man die Menschen an Ihrem Lächeln! Die Armen haben die besseren Zähne! Die putzen, weil sie die Versicherung sparen wollen.

Im Ernst: ZE und KfO sind heute schon privatisiert - es gibt nur noch Zuschüsse! Da kann man gleich ganz privatisieren. Also lassen Sie bitte ein solch "plattes Stammtischniveau"!!

sind sie nicht - und ich bin nun mal der Meinung, dass auch die Zahnmedizin für jeden erschwinglich sein sollte. Also auch für Menschen, die finanziell weniger gut gestellt sind.

7. private Unfälle sind Privatangelegenheit und nicht Auftrag der Sozialversicherung, insbesondere da sich Freizeitverhalten stark unterscheidet.


auch hier bin ich anderer Meinung - nach deiner Auffassung würden auch bei Kindern, die sich beim Spielen verletzen oder bei Frauen/Männern, die sich bei der Hausarbeit verletzen, keine Kosten übernommen. Davon betroffen sind auch Glatteisunfälle oder Unfälle beim Heimwerken. Insektenstiche gelten ebenfalls als Unfälle. Auch wenn Senioren zu Hause über die eigenen Füße stolpern und sich dabei die Knochen brechen, sind das Unfälle. Und letztlich: Sport wird von Ärzten als Prävention von vielen Krankheiten - insbesondere Herz-Kreislauf-Krankheiten - empfohlen. Beim Sport können aber auch Unfälle passieren - wo ist also die Grenze zwischen "guten" und "schlechtem weil gefährlichen" Sport?


Sie dürfen doch anderer Meinung sein! Und ich will weder Frauen noch Kindern die Behandlungskosten bei Unfällen verweigern. ich sage nur, dass AG für berufliche Unfälle haften und AN für private haften sollten - udn zwar entsprechend ihrem Risiko. Risiko ist Fallschirmspringen, Fußball, Skisport, etc.

zum ersten: die Arbeitgeber haften bereits heute (durch die Finanzierung der Berufsgenossenschaften) für berufliche Unfälle. Und verstehe ich sie richtig, dass sie Arbeitnehmer anders behandeln möchten als Frauen und Kinder? Was ist mit Frauen, die gleichzeitig Arbeitnehmer sind und Hausarbeit verrichten? soll vorkommen, hab ich mir sagen lassen....

Und bei Unfallfolgen sprechen wir vom kleinen Pflaster über einen Gipsverband auch über langwierige Krankenhausaufenthalten mit anschließenden Reha-Maßnahmen. Bis hin zur verminderten Erwerbsfähigkeit.


Ja, und dennoch kann man das ausgliedern!

man kann so vieles - das heißt aber noch nicht, dass es auch sinnvoll ist

und dass willst du wirklich alles ausschließen? nee, die Aussage ist mir ehrlich zu platt


Nein, anderweitig absichern!

8. AU-Bescheinigungen sollten Geld kosten, außer der Patient ist Chroniker. Und dafür gibt es sehr gute Gründe.


welche?


Nun, wenn Du nicht selbst drauf kommst - warte mal ab ... demnächst ist Montag - viel Spaß morgens in der Arztpraxis!

na, dann geh halt eben Dienstags :-)

Leistungen auszulagern halte ich für die falsche Option - das wurde in den vergangenen 3 Jahrzehnten mehrfach getan, ohne dass es zu nachhaltigen Kostensenkungen geführt hat.


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