Re: Bürgerversicherung (Sozialpolitik)

Elgin Fischbach @, Sonntag, 10.08.2003, 15:20 (vor 7566 Tagen) @ Heri Zey

Bei meinen Beiträgen handelt es sich keineswegs um einseitiges gewerkschaftlich-linkssoziales "Geschwafel" - sondern um handfeste Erfahrungen von mir und anderen:

Ich vertrete innerhalb der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ehrenamtlich Erwerbslose - denn diese stellen seit der ver.di-Gründung eine gleichberechtigte Personengruppe dar (im Gegensatz zu den früheren "Alt"-Gewerkschaften und anderen DGB-Gewerkschaften wie beispielsweise der IG Metall).

Im Rahmen dieser ehrenamtlichen Arbeit habe ich - neben meinem eigenen Schicksal - noch etliche andere Betroffene kennen gelernt, die trotz aktiver Bemühungen um einen Arbeitsplatz seit Jahren chancenlos sind. Die rigiden Sparmaßnahmen der Arbeitsämter bei beruflicher Umschulung und Weiterbildung sowie bei Lohnkostenzuschüssen etc. - verstärkt durch die "Hartz-Gesetze" - verschlimmern die Lage noch zusätzlich, denn die von Ihnen zu Recht eingeforderte berufsfachliche Flexibilität wird auf diese Art und Weise bedeutend erschwert. Des Weiteren wird bei einem vorgeschalteten unbezahlten Praktikum vom Arbeitsamt angenommen, dass der zuvor arbeitslose Praktikant in der Zeit seines Praktikums nicht verfügbar sei - was zum kompletten Leistungsentzug (bei Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe) führt; dies bedeutet faktisch: Wer einem potentiellen Arbeitgeber im Vorfeld eines festen Arbeitsvertrages ein niederschwelliges Kennenlernen ermöglichen will, wird bestraft!

Ich beispielsweise habe bereits 3 Berufe erlernt (teils selbst finanziert!): Industriekauffrau, Fachinformatikerin/Fachrichtung Anwendungsentwicklung, Ausbildereignung gemäß AEVO (um auch hauptamtlich - beispielsweise als Ausbildungsleiterin - in der beruflichen Ausbildung Jugendlicher und bei Umschulungen/Weiterbildungen mitwirken zu können). Auch die Fachhochschulreife an einer berufsbildenden Schule für Wirtschaft und Verwaltung habe ich "nachgeholt". Meine "Mankos": Ärztlich attestiertes Angewiesensein auf einen rauchfreien Arbeitsplatz (wegen Asthma und Heuschnupfen - wegen der hohen Anzahl der bei mir relevanten Allergene kommt eine Hyposensibilisierung aus ärztlicher Sicht nicht in Frage) und fehlende mehrjährige Berufserfahrung (wie soll ein Arbeitnehmer diese erwerben, wenn er keine entsprechende Chance dazu bekommt? - mit Ausnahme kurzzeitig befristeter Aushilfsarbeitsverhältnsse als Krankheits-/Urlaubs-/Kurvertretung habe ich bis jetzt noch keine Arbeitsangebote erhalten).

Apropos Frauen mit Kindern (aus Arbeitgebersicht mangelnde zeitliche Flexibilität): Eltern müssen sich - zwangsläufig - nach den Öffnungszeiten bzw. Stundenplänen der Kindergärten und Schulen richten, in denen sie ihre Kinder betreuen lassen. Ganztageseinrichtungen sind hier in Deutschland leider noch Mangelware - und "Schlüsselkinder" haben beispielsweise ein nachweisbar erhöhtes Risiko, wegen übermäßigem Fernsehkonsum, übermäßigem Spielen am Computer etc. (während der Abwesenheit der Eltern) gewalttätig zu werden. Im Rahmen etlicher Gewalttaten von Kindern und Jugendlichen - auch an Schulen - ist dieses Problem schon oftmals auch von wissenschaftlicher Seite angesprochen worden.

Apropos "Selbstständigkeit": Solange Selbstständige nicht ausnahmslos gleichberechtigt in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversichert sind (wie im Rahmen einer - auf alle gesetzlichen Sozialsysteme bezogenen - Bürgerversicherung beispielsweise von den Grünen angestrebt), kommt die Selbstständigkeit für mich als Alternative nicht in Frage!

Gruß
Elgin


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